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Sniper

Sniper

Titel: Sniper
Autoren: Chris Kyle , Scott McEwen , Jim DeFelice
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Prolog
Das Böse im Fadenkreuz
    Ende März 2003. In der Gegend von Nasiriyya, Irak
    Ich blinzelte durch das Zielfernrohr des Scharfschützengewehrs und ließ meinen Blick über die Straße der irakischen Kleinstadt schweifen. In 45 Metern Entfernung erschien eine Frau in der Tür eines kleinen Hauses und trat mit ihrem Kind hinaus.
    Ansonsten war die Straße menschenleer. Die Einwohner hatten sich verängstigt in ihren Häusern verbarrikadiert. Nur einige Neugierige lugten hinter Vorhängen hervor. Sie konnten das Donnern der herannahenden amerikanischen Einheit hören und warteten vorsichtig ab. Kurze Zeit später erschien eine Schar Marines auf der Straße; sie waren auf dem Weg nach Norden, um das Land von Saddam Hussein zu befreien.
    Ich hatte die Aufgabe, sie zu beschützen. Bereits mehrere Stunden zuvor hatte mein Zug das Gebäude eingenommen und Stellung bezogen – um den Feind von einem Angriff gegen die Marines abzuhalten, deren Einmarsch wir erwarteten.
    Diese Aufgabe schien nicht besonders schwierig – vor allem, weil die Marines ganz gut auf sich selbst aufpassen konnten. Ich kannte die Durchschlagskraft ihrer Waffen und hätte mich höchst ungern mit ihnen anlegen wollen. Die irakische Armee war chancenlos und schien die Gegend tatsächlich schon verlassen zu haben.
    Der Krieg hatte vor etwa zwei Wochen begonnen. Mein Zug, »Charlie« (später »Cadillac«) vom SEAL-Team 3, leistete am frühen Morgen des 20. März seinen Beitrag dazu. Wir landeten auf der Halbinsel Faw und sicherten die dort gelegene Ölanlage, damit Saddam sie nicht wie im Ersten Golfkrieg in Brand setzen konnte. Nun hatten wir den Auftrag, den Marines zur Seite zu stehen, als diese in Richtung Bagdad marschierten.
    Ich war ein SEAL, ausgebildet für Spezialeinsätze der US Navy. SEAL steht für »SEa, Air, Land«, und das beschreibt ganz gut unsere vielfältigen Einsatzgebiete. In diesem Fall waren wir weit ins Landesinnere vorgedrungen, viel weiter als sonst. Doch dies sollte immer mehr zur Routine werden, je länger der Krieg dauerte. Ich hatte fast drei Jahre damit zugebracht, mich zum Krieger ausbilden zu lassen, und ich war bereit für diesen Einsatz – so bereit man eben für einen Krieg sein kann.
    Mein Scharfschützengewehr war eine Repetierwaffe mit hoher Präzision, die meinem Zugführer gehörte und Patronen vom Kaliber .300 Winchester Magnum verschoss. Er hatte die Straße eine Zeit lang beobachtet und brauchte eine Pause. Ich empfand es als großen Vertrauensbeweis, dass er mich zu seinem Vertreter ernannt und mir das Gewehr überlassen hatte. Immerhin war ich der Neue im Team, ein Anfänger. Nach SEAL-Maßstäben hatte ich meine Feuerprobe noch nicht bestanden.
    Zudem stand meine Ausbildung zum SEAL-Sniper noch aus. Ich wollte unbedingt ein Scharfschütze werden, hatte bis dahin aber noch einen weiten Weg vor mir. Indem er mir an jenem Morgen sein Gewehr überließ, wollte der Chief herausfinden, aus welchem Holz ich geschnitzt war.
    Wir befanden uns auf dem Dach eines alten, heruntergekommenen Gebäudes am Rande einer Stadt, welche die Marines durchqueren mussten. Der Wind wirbelte Staub und Papier über die mit Schlaglöchern übersäte Straße, die sich unter uns erstreckte. Der Ort stank nach Fäkalien – ein ekelhafter Geruch, an den ich mich niemals gewöhnen sollte.
    »Marines im Anmarsch«, sagte mein Chief, als das Gebäude zu beben begann. »Augen offen halten.«
    Ich sah durch das Zielfernrohr. Die einzigen Menschen, die sich im Freien bewegten, waren die Frau und vielleicht ein oder zwei Kinder in der Nähe.
    Ich sah zu, wie unsere Truppen eintrafen. Zehn junge, stolze Marines stiegen in voller Montur aus ihren Fahrzeugen und versammelten sich für eine Fußpatrouille. Während sie sich formierten, zog die Frau etwas unter ihrer Kleidung hervor und zerrte ruckartig daran.
    Sie hatte eine Handgranate gezündet. Ich erkannte das zuerst nicht.
    »Das Ding ist gelb«, gab ich meine Beobachtung an den Chief weiter, während er sich selbst ein Bild machte. »Es ist gelb, der Kopf …«
    »Sie hat eine Handgranate«, sagte der Chief. »Das ist ’ne chinesische Granate.«
    »Mist!«
    »Du musst schießen!«
    »Aber …«
    »Nun schieß endlich! Die Granate darf keinen Schaden anrichten. Die Marines …«
    Ich zögerte. Jemand versuchte die Marines über Funk zu erreichen, aber ohne Erfolg. Sie schritten die Straße entlang, geradewegs auf die Frau zu.
    »Schieß!«, sagte der Chief.
    Mein Zeigefinger umschloss
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