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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag
Autoren: Joachim Masannek
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geträumt hast. Und ich, ich bin so, wie Vanessa mal war.“
    Da griff Marlon nach einer Liane.
    „Nein!“, rief ich aus und wollte ihn halten. Doch Marlon schwang sich auf die Plattform der Wölfe.
    „Nein!“, rief ich. „Nein!“ Und sah fassungslos zu, wie er direkt vor April landete.
    „Ja“, sagte er ruhig. „Du hast die Wahrheit gesagt. Das hab ich wirklich geglaubt, als ich euch zum ersten Mal sah. Als ich dich gesehen hab.“ Er schaute sie an. „Da hab ich gedacht: So möchte ich sein.“
    Sie hob ihre Hand und wollte ihn streicheln, doch er hielt sie fest.
    „Doch ich kann nur so sein, wenn ich selber so werde. Wenn ich es selber erreiche. Wenn ich dafür kämpfe.“
    Er drückte ihre Hand ganz langsam weg, und ich sah, wie April sich dagegen wehrte.
    „Es tut mir leid“, sagte Marlon ganz fest. „Aber ich will nichts geschenkt. Keine Liga, keine Mannschaft und auch keine Freundin. Hörst du das, Vanessa?!“, rief er zum Höhlenausgang. „Ich werde heut kämpfen. Ich kämpfe um mich, um uns und um dich!“
    Er schaute zum Vorhang und hoffte, dass er sich bewegte. Doch Vanessa kam nicht wieder zurück. Sie war wirklich gegangen, und Klette, das Biest, zählte uns an:
    „22, 21, 20, 19“
    Ich biss mir nervös auf die Unterlippe.
    „Marlon, was ist?“
    Er stand enttäuscht da und rührte sich nicht.
    „Marlon, was ist?!“, rief ich noch einmal verzweifelt. Da wischte er sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
    „Was soll denn schon sein?“, rief er, als wär das die selbstverständlichste Sache der Welt. „Leon, du spielst für Vanessa auf links und Nerv, du zeigst uns den Dampfhammerbooster.“ Er lachte mich an. „Du bist unser Mittelstürmer! Und jetzt steht nicht rum. Auf eure Posten. Los! Ich will nächstes Jahr hier in Donnerschlag spielen.“
    Er packte die Liane und schwang sich daran von der Plattform herab. Einen Augenblick später erlosch die Flutlichtanlage. Die Spiegel und Quarze drehten sich weg. Es wurde stockfinster und unter dem Geheule der kreuz und quer durch die Höhle fliegenden Wölfe erschien eine riesige Leuchtanzeige. Sie hing an der Wand rechts von den Toren und zählte die letzten Sekunden des Time-outs in einem erbarmungslosen, eisigen Blau.

FREUNDSCHAFT IST ALLES
    „Drei, zwo, eins!“, zählte ich leise und starrte nach oben zur Öffnung im Dach. Aus der fiel der lavarot leuchtende Ball und ich hörte noch Marlon: „Schließt eure Augen!“
    Da blitzte es dreimal so hell, dass es wehtat, und als der Donnerschlagdonner ertönte, war ich schon blind. Ich sah nicht, wie die Flutlichtanlage wieder erstrahlte. Ich hielt mich nur fest, mit Armen und Beinen. Ich hing mit dem Rücken nach unten unter der obersten Brücke und hörte hilflos zu, wie der letzte und alles entscheidende Durchgang des Spiels ohne mich begann. Ohne mich, der ich doch heute nach fast zwei endlosen Jahren als Maskottchen und Zaungast geduldeter Pimpf endlich bei den Wilden Kerlen mitspielen durfte. Und das noch in ihrem allerletzten Spiel. Denn wie sollten sie diesen Aufnahmetest ohne Vanessa bestehen? Ohne Vanessa und mit einem Mittelstürmer, den es nicht gab.
    Da hörte ich Marlon: „Ja, Leon, du hast ihn!“
    Und tatsächlich rannte die Nummer 13 der Kerle, von Erik verfolgt, drei Stockwerke unter mir über den Handlauf des Brückengeländers und erwischte den herabfallenden Ball als Erster. Er pflückte ihn mit dem Spann aus der Luft und ließ Hagen und Freya ins Leere fliegen, die seinen Volleypass abfangen wollten. Denn Leon, der Slalomdribbler, gab diesmal nicht ab. Er packte den Ball mit beiden Füßen und sprang mit einem Salto auf den Boden der Höhle. Dort blieb er stehen, stieg auf das Leder, schaute sich kurz in alle fünf Richtungen um – nach rechts und nach links, nach vorn und nach hinten und natürlich nach oben –, fixierte das Wölfetor und rannte dann über den von den tiefen Spalten zerrissenen Boden direkt darauf zu.
    „Marlon!“, rief er. „Ich brauch dich hier unten. Ich denke, es wird Zeit, richtig Fußball zu spielen. Ich meine ganz klassisch.“
    Er lupfte den Ball über eine der Spalten und sprang hinter ihm her.
    „Leon! Pass auf! Run kommt von links“, schrie Markus im Tor und zeigte alarmiert auf den Wölfespieler.
    Der hing nur noch mit einem Arm an seiner Liane und schwang so knapp über den Boden hinweg, dass er den Ball erreichen musste.
    Doch Leon war schneller. Mit dem linken Außenrist passte er die Kugel in die Mitte des Feldes, und ich
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