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1825 - Schreie aus dem Fegefeuer

1825 - Schreie aus dem Fegefeuer

Titel: 1825 - Schreie aus dem Fegefeuer
Autoren: Jason Dark
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Ich rechnete damit, dass Meinhard weitergehen würde, was er aber nicht tat. Er blieb plötzlich stehen, sodass ich gegen ihn lief.
    »Was ist los?«
    »Ich gehe nicht mehr weiter.«
    »Und warum nicht?«
    »Wir sind schon ganz nahe. Ich spüre auch die andere Seite.«
    Dazu sagte ich nichts. Es war jetzt wichtig, dass ich die Umgebung beobachtete. Meinhard erlebte wahrscheinlich einen Angriff aus dem Unsichtbaren, gegen den er sich stemmte, im Prinzip aber hilflos war.
    »Was ist genau los?«
    »Er wartet …«
    »Wer?«
    »Der Vogel. Der große schwarze Vogel. Wir stehen am Rand seiner Welt. Er will mich holen, er will mich zu dem machen, was ich schon seit Jahren bin. Zu einem Skelett. Mein anderer Körper ist nur geliehen. In Wirklichkeit gehöre ich ihm.«
    »Dann soll er sich auch zeigen!«, zischte ich.
    »Das ist nicht nötig. Er ist schon da!« Meinhard wusste genau Bescheid. Der Klang seiner Stimme hatte sich verändert. Sie war fester geworden, den Bann der Furcht hatte er abgeschüttelt, und dann überraschte er auch mich, als er nach vorn ging.
    Zuerst ging er noch langsam, dann aber lief er, und er hatte ein Ziel, das sich plötzlich aufgebaut hatte. Es befand sich im Wagen, aber auch außerhalb und es waberte auf der Stelle.
    Zuerst dachte ich an den Spuk, als ich die massige Schwärze sah, die sich im Wagen ausbreitete. Genau darauf lief Meinhard zu, und er gab auch eine Erklärung für sein Tun ab.
    »Das ist er! Das ist der Vogel. Das ist das Fegefeuer …«
    Er lief nach vorn, aber das sollte er nicht allein, denn auch ich setzte mich in Bewegung …
    ***
    »Was hat Ihr Freund vor?«, fragte Edith Truger leise und starrte Harry intensiv an.
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich es auch nicht weiß.«
    Edith trat mit dem Fuß auf. »Was wissen Sie dann? Bitte …«
    »Zu wenig.« Er hob die Schultern an. »Leider.«
    »Ja, das weiß ich. Tut mir leid, dass ich so aus mir rausgegangen bin. Aber ich weiß auch nicht mehr weiter.«
    »Sie müssen auf jeden Fall die Ruhe bewahren.«
    »Ich bin dabei.«
    Einer war sowieso dabei. Er gehörte zu den ganz Stillen. Es war Urs Meyer, der nichts tat. Er hatte sich gesetzt und litt. Beide Hände hielt er gegen sein Gesicht gepresst, und in bestimmten Abständen durchlief ihn ein Schütteln.
    »Was hat er?«, flüsterte Edith.
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber wir können ihn ja mal fragen.«
    »Bitte, tun Sie das, Herr Stahl.«
    »Mal schauen …«
    Harry drehte sich um. Jetzt sah er Urs Meyer vor sich. Der hatte sich hingesetzt und sich in die Ecke des Sitzes gedrückt, sodass er aus dem Fenster schauen konnte. Hinter der Scheibe war nichts zu sehen, nur die Dunkelheit des Tunnels.
    »Urs – Urs Meyer, hören Sie mich?«
    Er gab keine Antwort.
    »Bitte, sagen Sie was.«
    »Nein, lasst mich in Ruhe.«
    Das tat Harry nicht. »Warum sollen wir Sie in Ruhe lassen? Was ist so schlimm daran, wenn Sie mit uns reden?«
    »Gehen Sie!«
    »Nein, wohin denn?«
    Harry erhielt keine Antwort oder nur ein heftiges Kopfschütteln. Ansonsten war es still.
    »Darf ich fragen, ob Sie etwas spüren?«
    »Was denn?«
    »Etwas Fremdes.«
    »Ja, ja, das spüre ich.« Seine Haltung entspannte sich. »Es wird zu einer Veränderung kommen, das weiß ich genau. Wir – wir – sind schon in seiner Welt.«
    »In welcher?«
    »Im Fegefeuer!«
    Jetzt war es heraus, und keiner der Anwesenden wusste zunächst eine Antwort.
    Edith und Harry schauten sich an, und Edith wurde noch blasser. Sie schluckte einige Male und schaffte es dann, eine Frage zu stellen.
    »Glauben Sie ihm?«
    »Keine Ahnung.«
    Edith Truger schaute sich um. »Aber ich sehe kein Feuer. Keine Flammen, wie sie in der Hölle sein sollen.«
    »Es ist auch nur sinnbildlich gemeint«, sagte Harry. »Das Fegefeuer muss nicht unbedingt ein Feuer sein. Oder, Herr Meyer?«
    »Ja.«
    »Und was ist es dann?« Edith wollte es wissen.
    »Schwärze, nicht mehr und nicht weniger. Ich habe es als Schwärze erlebt, dann aber auch als bleiche Helligkeit, in der die Skelette besonders gut zu sehen waren. Für mich ist das Fegefeuer nichts anderes als ein großes Grab.«
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Edith leise.
    »Stimmt.« Urs Meyer stand auf. »Und ich bleibe dabei, dass es in der Nähe ist. Ich spüre es.«
    »Was spüren Sie?«
    »Seine Nähe, Frau Truger. Ja, seine Nähe.« Er hatte das Gesicht verzogen. Seine Augen waren geweitet, der Mund zeigte ein boshaftes Grinsen. »Und es kommt immer näher,
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