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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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Hellblau.“ Sie zählte die Farben auf.
    „Ich habe mich mit deinem Bruder in seinem Supermarkt verabredet. Wir standen zwischen Regalen mit Fertigsuppen. Ich hätte sofort meine Frage stellen sollen, aber ich wollte nicht unhöflich sein. Ich hatte in den Vorschlag der Wanderung eingewilligt, weil ich dort meine Frage loswerden wollte. Haferflocken und Trockenobst liegen mir nicht. Ich gehe also mit der Wanderung bereits Kompromisse ein und treffe bei deinem Bruder trotzdem nur auf Misstrauen. Und der Vater hat nicht erkannt, dass er seine Tochter verloren hatte, in dem Moment, wo er sie nach England ließ. Er dachte, das Fortgehen ist das Problem. Aber das Wiederkommen ist das Problem. Warum bist du wiedergekommen?“
    „Liebst du mich?“, fragte sie. „Hast du das alles aus Liebe getan?“ Sie sah mich durch die Sonnenbrille an. Ich sah weiter geradeaus auf die verbrannten Hügel, stand auf und ging zu dem verkohlten Barbecue hinüber. Ich holte mit aller Kraft aus und trat die Schale weit in den Abgrund. Die heißen Kohlen zerstoben und fielen zwischen die Felsen. Ich drehte mich um. Sie nahm die Sonnenbrille ab und sie sah mich erschrocken an. Ich trat nah an ihren Campingstuhl, stützte mich auf ihre Armlehnen und sah ihr aus wenigen Zentimetern Entfernung ins Gesicht.
    „Kennst Du Loa?“, fragte ich. „Das ist ein Ort.“
    Sie nickte langsam.
    „Ich kam dort gegen Mittag an und stellte mich neben meinen Wagen und aß eine Banane. Meine einzige Pause auf dem Weg hierher. Und während ich dort stand, hielt ein Auto einige Meter von der einzigen Kreuzung des Ortes entfernt am Bordstein und die Fahrertür schwang auf und ein alter Mann hob erst seine Beine heraus und dann sich selbst. Er schlug die Fahrertür zu, umrundete gemächlich seinen Wagen und hob vier dieser Pylonen aus dem Kofferraum. Er hob jeden einzeln heraus und stellte sie auf den Boden, dann nahm er jeden einzeln und trug sie nacheinander auf die Mitte der Fahrbahn, so dass Autos, die irgendwann vielleicht kommen würden, durch ein schmales Spalier fahren müssten. Als er fertig war, setzte er sich auf einen Campinghocker. Er schob seine Kappe in den Nacken und wartete. Bald kam ein Gruppe Schüler aus der gegenüberliegenden Querstraße, und der Opa sprang von seinem Hocker und stellte sich mitten auf die Straße, die mageren Arme weit ausgebreitet. Die Kinder liefen lachend und erzählend über den Fußgängerüberweg, den der alte Mann mit diesen Pylonen markiert hatte. Als die Kinder fort waren, setzte sich der Mann wieder auf seinen Hocker. Bei jeder Schülergruppe sprang er auf und eilte so schnell er konnte zur Straße. Das machte er tatsächlich bei jeder Gruppe. Und ich wette, dass er das jeden Tag macht, solange es die Schule gibt und Schulkinder Straßen überqueren müssen. In der ganzen Zeit kamen zwei Fahrzeuge durch den Ort. Eines davon war ein Traktor. Der alte Mann hatte eine Aufgabe, und sie war sinnvoll, und er erfüllte sie perfekt. Bis zu seinem Lebensende.“
    Ich stieß mich von ihrem Sessel ab, und sie entspannte sich. Ich öffnete die Kühlbox und wühlte zwischen Eisstücken und Schmelzwasser nach einem Bier. Ich trank es in einem Zug aus. Ich ließ die leere Flasche wieder in die Kühlbox fallen und holte eine Neue heraus. „So eine Scheiße“, sagte ich.
    „Ich fang nicht mehr davon an, ok?“
    „Es ging darum, eine Sache anzufangen und zu Ende zu bringen. Eine einzige Sache im Leben auch mal zu Ende zu bringen. Eine einfache Sache. Ein leblose junge Frau in einer Wohnung, und die Frage, ob sie noch lebte, als die Ambulanz kam. Die Antwort habe ich über Tausende von Kilometern verfolgt, fast mit meinem Leben bezahlt. Sie lebt. Warum sollte ich jetzt noch hier bleiben?“
    „Ich fange nicht mehr davon an, ok?“, sagte sie lauter.
    Ich ging hinüber zu dem Wagen, setzte mich auf den Fahrersitz, startete den Motor und wartete, bis sie auf der anderen Seite eingestiegen war.
    „Eigentlich darfst du nicht ...“, begann sie und ich gab Gas. Wir fuhren die Straße und den Hang hinunter. Ich bog auf die Interstate Richtung Küste, nicht in die Richtung ihrer Heimatstadt St. Georg.
    „Ich fliege nach Deutschland“, sagte ich. „Meine Freundin und ich werden in einer Wohnung ohne Möbel wohnen. Eine Matratze und ein Kühlschrank. Bei uns regnet es im Winter jeden Tag. Ich werde meinem besten Freund vorsorglich eins auf die Fresse geben, weil er sicher versucht hat, in meiner Abwesenheit mit meiner Freundin was
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