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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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hab ich dann in der kurzen Zeit, die ich auf sie warten musste, mehr getrunken, als sie während des ganzen Abends. Also musste sie fahren, und ich war Beifahrer. Ich bin zuverlässig.“
    „Es ist jedes Mal das gleiche mit ihr, verstehst du? Ich nehme sie irgendwohin mit und sage ihr: 'Pass auf, Schwesterlein, du musst auch wieder zurück nach Hause fahren' und jedes Mal nickt sie, und jedes Mal kommt sie im Laufe des Abends an und fragt mich, ob ich nicht einen Beifahrer kennen würde. Einen seriösen Beifahrer. Du bist doch seriös, oder?“
    „Zuverlässig und seriös. Du kennst mich.“
    „Sie ist mal mit dem blauen Klaus gefahren, und hinterher hat sie mir gesagt, dass er dumme Bemerkungen gemacht hätte, doch das habe ich unter vier Augen mit ihm bereinigt.“ Er rollte seine Arme in den Schultergelenken. „Ok. Ihr könnt gleich starten.“ Er zog mich zur Tür, und ging seine Schwester holen. Mit ihr im Schlepptau kam er zurück. Sie sah etwas blass aus. Richard nickte und sagte: „Hier ist dein Beifahrer, Schwesterlein.“ Und er verschwand wieder in der Menge.
    „Ich müsste noch Bauer holen“, sagte ich zu ihr.
    „Wen?“, fragte sie.
    „Meinen Kater“, antwortete ich. Als ich mit ihr zum Dachboden hochstieg, konnte ich hören, dass Richard den Stones in meiner Wohnung noch etwas mehr Volumen gegeben hatte.
    „Wie hat es dir gefallen?“, fragte ich sie, als ich die Tür zum Speicher aufschloss. Und dann fiel mir ihr Name wieder ein. „Kerstin“, hängte ich noch dran.
    „Gut“, sagte Kerstin bloß. „Wieso nehmen wir den Kater mit?“
    „Nur so eine Ahnung, dass es besser ist.“ Bauer kam maunzend aus der Dunkelheit gelaufen und ich nahm ihn auf den Arm. Jetzt hatte ich alles zusammen, was ich für den Auszug brauchte.
    Kerstin streichelte Bauer. Alle weiblichen Individuen streichelten ihn, und er mochte alle weiblichen Individuen.
    „Er mag dich“, sagte ich.
    „Ja?“ Sie schien glücklich über diese Tatsache.
    „Ja. Natürlich.“
    Wir stiegen die Treppe hinunter, an meiner Wohnung vorbei, die eine bewohnte Bassbox geworden war, und erreichten ohne Zwischenfälle die Haustür.
    Draußen war es kühl, und wir gingen nebeneinander zu ihrem Auto. Ein VW-Käfer, registrierte ich. Sie schloss auf, und wir stiegen ein. Ich nahm Bauer auf den Schoß, wo er unverzüglich einschlief. Auf dem Fahrersitz lagen zwei dicke Kissen, damit sie höher saß. Sie startete den Motor. Mit einem Höllenlärm sprang er an. Bauer schlief weiter. Die Leerlaufdrehzahl war viel zu hoch eingestellt, und ich schaute zu den Fenstern hoch, ob schon überall die Lampen besorgter Mitbürger angingen. Doch bis auf meine Ex-Wohnung war fast alles dunkel.
    Sie machte keine Anstalten loszufahren, sondern suchte alle ihre Taschen durch.
    „Vermisst du etwas?“, fragte ich.
    „Meinen Zettel“, sagte sie. „Auf dem steht, wie ich hierher gekommen bin.“
    „Wo wohnst du denn?“
    Sie nannte eine Adresse am anderen Ende der Stadt, und ich bot an, sie dorthin zu lotsen.
    „Nein, nein“, wehrte sie ab. „Ich fahre nie ohne Zettel.“ Irgendwann fand sie ihn dann. Mittlerweile hatten sich meine Ohren an das Getöse um uns gewöhnt. Wir standen inmitten einer riesigen Ölwolke. Sie füllte anscheinend die ganze Straße aus.
    Sie klemmte den Zettel zwischen linken Daumen und Lenkrad. Sie legte den ersten Gang ein und gab ordentlich Gas und los ging es. Sie beschleunigte im ersten Gang immer weiter. Ich machte mir Sorgen.
    „Jetzt den zweiten vielleicht?“, murmelte ich. Endlich schaltete sie höher und wir schossen vorwärts.
    „Ah, die Aral-Tankstelle“, sagte sie zufrieden und trat heftig auf die Bremse. Ich musste mich festhalten. Sie bog langsam um die Kurve und erklärte: „Rechts ist das umgekehrte von Links.“ Danach beschleunigte sie wieder und hatte keine Hemmungen, die maximale Drehzahl zu erproben.
    Ich schaute sie an. „So fahre ich, wenn ich nicht mehr laufen kann“, sagte ich.
    „Ach, Quatsch“, sagte sie bloß und trat mit ganzer Kraft auf die Bremse, dass wir mit einem Ruck mitten auf der Straße stehen blieben. Es war stockdunkel um uns, zufälligerweise waren hier im Moment keine anderen Autos unterwegs. Plötzlich beschleunigte sie wieder.
    „Du liest deinen Fahrtzettel der Hinfahrt nun rückwärts und suchst so deinen Weg, stimmt's?“, fragte ich.
    „Ein Trick von mir“, sagte sie. „Bei Einbahnstraßen kann man allerdings negative Erfahrungen machen.“
    „Negative
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