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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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Erfahrungen“, murmelte ich. Und dann sagte ich: „Weißt du, Kerstin. Wenn du möchtest, fahre ich weiter, denn mir fällt gerade ein, dass ich eigentlich noch gar nicht so viel getrunken habe, oder ich rufe uns ein Taxi. So im Dunkeln fahren ist doch sehr mühsam. Oder gib mir den Zettel. Bist du auf dem Hinweg übrigens durch Einbahnstraßen gefahren?“
    Sie antwortete nicht. Ich holte mir den Stadtplan ins Gedächtnis zurück und ahnte warum. Sie zeigte allerdings keinerlei Anstalten zum Bremsen. „Rechts vor Postamt“, murmelte sie vor sich hin. Dann entdeckte sie das Postamt und wir schleuderten herum. „Drei – zwei – eins. Überschlag“, sagte ich und stemmte meine Arme gegen das Wagendach.

23 Uhr
    Doch ein Käfer überschlägt sich nicht. Wir pendelten wieder in unsere Fahrspur und Kerstin beschleunigte erneut. Bauer ließ das Ganze völlig unbeeindruckt. Er hatte wie immer volles Vertrauen in die Damen dieser Welt.
    „Willst du einen Rekord aufstellen?“, fragte ich.
    „Was für einen Rekord?“
    „Irgendeinen Rekord. Du fährst viel zu schnell.“
    „Ich muss so schnell fahren. Ich will so schnell wie möglich zum nächsten Punkt der Liste.“
    „Aber du kannst doch langsam fahren, wie andere Leute auch. Dann siehst du die Merkpunkte doch viel leichter.“
    „Aber es dauert so lange, und ich werde unsicher, ob ich nicht schon vorbei bin. Ich habe es ausprobiert, glaub mir.“ Ich glaubte ihr. Und das war wohl der Augenblick, in dem ich mich in sie verliebte. Es war umwerfend, wie sie in dem Käfer durch die Stadt raste, die auf einem kleinen handgeschriebenen Zettel aufgeführten Stationen abklapperte und hoffte, am Ende vor der eigenen Haustür zu landen. Und sie hatte ein Auto. Unser Auto. Es war perfekt. Ich entspannte mich, legte einen Arm auf ihre Lehne, jedoch ohne ihre Schultern zu berühren.
    „Hast du dich schon mal verfahren?“, fragte ich. Vor uns tauchte eine große Kreuzung auf, doch glücklicherweise hatten wir grün.
    „Nein“, sagte sie. „Aber ich habe große Angst davor. Darum brauche ich auch immer einen Beifahrer. Außerdem erinnert es mich an die Fahrschulzeit. Es ist wirklich schrecklich nett, dass du dir die Zeit nimmst, mich nach Hause zu bringen.“
    „Nicht der Rede wert. Bist du jemals ohne Beifahrer gefahren?“
    „Einmal habe ich alleine ausgeparkt und einmal durch die Waschstraße.“
    „Immerhin, ein Anfang“, sagte ich und sah sie verzaubert an. Sie sah wunderschön aus. Ganz Spannung und Vollkommenheit. Hingegeben dem Wunder des Fahrens und der dimensionslosen Fortbewegung im unendlichen All. Auf dem Weg zu tiefstem Glück.
    „Halt mal an“, sagte ich fasziniert.
    „Gleich“, erwiderte sie und fuhr weiter durch die Gegend. Dann stoppte sie am Randstein, zog die Handbremse mit einem Ruck an und schaltete den Motor aus. Es wurde sehr still. Ich schaute sie immer noch an, und sie sagte: „Da wären wir.“
    „Ich habe mich in dich verliebt“, sagte ich feierlich.
    „Ja, ja, das sagen alle meine Beifahrer.“
    Ich wachte auf. „Alle?“, rief ich erregt. „Auch der blaue Klaus?“
    „Fast alle“, schränkte sie ein.
    „Verdammt. Wir müssen unbedingt darüber reden. Wie stehen deine Eltern zu unangekündigten Übernachtungen von Freunden?“
    „Ich wohne nicht bei meinen Eltern.“
    „Nicht? Aber doch nicht etwa mit einem ...?“
    „Das hier ist ein Studentenwohnheim. Ich studiere.“
    „Studieren? Wie alt bist du denn? Ich sollte auch studieren. Jetzt wo das Kneipen-Projekt gescheitert ist, kann ich ebenso gut studieren. Lass uns doch bei dir oben studieren.“

Wir fahren alle durch unser Land
Frank erzählt:
    Ich erreichte St. George am späten Nachmittag. Ich verließ die Interstate-Autobahn, hielt an einer Tankstelle und fragte nach dem Stadtteil, den ich als Teil der Adresse aus seinem Notizbuch entnommen hatte. Dann fuhr ich langsam an einem Einkaufszentrum vorbei, weiteren Tankstellen, einem Supermarkt, einem Campingplatz und kam schließlich zu der gesuchten Neubausiedlung. Eine cremefarbene mannshohe Mauer zog sich um das gesamte Areal. Am Eingang der Siedlung stand ein uniformierter Wachposten neben einer geschlossenen Schranke. Ich zeigte ihm die Adresse, er nickte, und ich ging zurück zum Wagen. Er beobachtete mich die ganze Zeit.
    Ich wendete und fuhr zurück zu dem Campingplatz. St. George liegt mitten in der Wüste am äußersten Rand von Utah an der Grenze zu Nevada und Kalifornien. Bis zur Pazifikküste im Westen
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