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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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zu begegnen.

 
    Ich wartete in meinem Wagen in einer Querstraße vor der Siedlung. Nach mehreren Stunden verließ Sues Mutter in dem beigen Wagen die Siedlung. Der Wachmann an der Schranke grüßte sie freundlich. Sues Mutter fuhr an mir vorbei, den Blick konzentriert auf die Fahrbahn gerichtet. Ich wendete und fuhr ihr langsam hinterher. Sie ließ den Campingplatz rechts liegen, auch die Tankstelle. Auch der erste Supermarkt gefiel ihr nicht, erst am zweiten setzte sie den Blinker und bog in den großen Parkplatz ein. Ich parkte in einiger Entfernung und schlenderte langsam zum Eingang.
    Ich sah mich um. Eine lange Reihe von Kassen, an denen grün uniformierte Mitarbeiter Einkäufe in Tüten verpackten und in Einkaufswagen hoben. Rechts der Eingang mit Drehkreuz. Links eine Bäckerei mit Selbstbedienung und davor einige Tische. Ich holte mir einen Kaffee und stellte mich neben den einzigen anderen Gast, einen Schwarzen. Er schaute auf, betrachtete mein gelbes Hemd und meine Wildlederhose, die weißen Cowboystiefel.
    „So eine Hose kauft man nicht in St. George“, sagte er.
    „Nicht in Utah.“
    „Nicht in den USA.“
    „Nur in London“, ergänzte ich und setzte mich auf den Platz neben ihn.
    „Sieht schwul aus, die Hose“, sagte er.
    „Ist aber Punk. London.“
    Er streckte seinen Arm aus und streichelte über das Wildleder auf meinem Oberschenkel.
    „Schwuler Punk. Die Hose sollte mir gehören“, sagte er, nahm die Hand wieder weg, verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
    „Sie kann dir gehören. Zehn Minuten.“
    „Du willst handeln. Keine fiesen Spielchen. Vielleicht bin ich gar nicht schwul“, sagte er.
    „Ich ziehe die Hose aus, du ziehst die Hose an, du gehst bis zum anderen Ende der Kassenreihe, du kommst wieder zurück. Hier bei mir ziehst du die Hose wieder aus. Ich ziehe die Hose wieder an.“
    „Und wir werden beide verhaftet.“ Er sah zu dem Wachmann hinüber, der vor dem Supermarkt stand. Der Wachmann hielt einen Becher Kaffee in der Hand. Sein Bauch wölbte sich über den Gürtel seiner schwarzen Hose.
    „Sie wird für zehn Minuten dir gehören“, sagte ich. „Und wenn wir verhaftet werden, schenke ich sie dir sofort. Ansonsten schicke ich sie dir, sobald ich zuhause bin. Nächste Woche.“
    „Und wir haben Spaß gehabt“, ergänzte er und musterte mich eine Weile zweifelnd. Dann sah er sich im Supermarkt um, sah mich wieder an und nickte. „London, sagst du? Was für einen verdammten Job braucht man, um mal nach London zu kommen?“ Er kritzelte eine Adresse auf einen Werbeprospekt und schob ihn mir rüber. „Dorthin sendest du die Hose.“
    „Original London.“ Ich stand auf, zog meine Cowboystiefel aus und stellte sie sorgfältig vor meinen Stuhl. Ich öffnete den Gürtel, den Knopf und den Reißverschluss. Als ich die Hose über meinen Hintern nach unten schob, drehten sich die ersten Leute um und öffneten den Mund. Der Schwarze grinste und blieb sitzen. Ich zog mir die Hose komplett herunter und stand in Boxershorts und Socken da. Ich hielt ihm die Hose hin. Alle Leute an den Kassen sahen mir zu. Keine Kassiererin schob mehr Einkäufe über den Scanner, das regelmäßige Piepsen erstarb. Der Schwarze stand auf und zog seine Jeans langsam aus. Er wand sie über die Hüften und stand in einem knappen Slip da. Er nahm meine Hose, stieg hinein, zog sie hoch. Ich konnte die Leute atmen hören. Der Schwarze sah an sich herunter, strich sich über die Oberschenkel und den Hintern und grinste. Er sah ringsum in die Menge, und alle wandten schnell den Blick ab. Ich konnte sehen, wie der Wachmann draußen von einer Kundin angesprochen wurde. Er drehte sich um und versuchte, durch das spiegelnde Glas zu sehen. Dann zog er sich die Hose hoch und kam eilig mit seinem Kaffeebecher in der Hand herein.
    Der Schwarze machte barfuß einige Schritte, klatschte sachte in die Hände, drehte sich einmal um die eigene Achse, schnippte mit den Fingern und wandte sich einer Frau zu, die entsetzt zurückwich. Er tänzelte die ganze Kassenreihe entlang. Der Wachmann drängte sich durch die Menge, glotzte erst den Schwarzen, dann mich in Boxershorts an. Er kam näher. „Was wird das hier? Eine Schwuchteldisco?“
    „Ist das nicht wundervoll?“, fragte ich. Ich sah, wie die Adern am Hals des Wachmanns anschwollen, und ich fügte hinzu: „Er kommt gleich zurück.“ Und tatsächlich leitete der Schwarze mit einer eleganten Drehung seine Rückkehr ein, die Arme eng an den Körper
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