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Titel: 18
Autoren: Markus Luengen
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gehalten, um die Fliehkraft zu drosseln.
    „Sehen Sie sich das an. Ich kann nie wieder eine Tanzfläche betreten“, sagte ich zu dem Polizisten. Er wollte sich gerade in Bewegung setzen, als Sues Mutter aus der Menge trat und auf uns zukam, ohne den Schwarzen auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie trat dem Wachmann in den Weg und sagte: „Es ist in Ordnung, Mr. Snider. Die jungen Herren verschwinden sofort, habe ich recht?“ Sie sah mich regungslos an und ich erwiderte: „Da haben sie völlig recht.“ Der Polizist schaute Sues Mutter an, dann mich und dann die Menschen um uns herum. Als der Schwarze tänzelnd bei uns eintraf, zischte Sues Mutter: „Ziehen sie sich hinter dem Buchständer um, und zwar schnell.“ Zu mir sagte sie: „Morgen früh um zehn Uhr.“ Und sie drehte sich um und ging weg. Sie trug keine Einkäufe.
    „Na los, ihr Schwuchteln“, blaffte der Wachmann und der Schwarze zog sich lächelnd die Hose vor allen Leuten aus und ich stieg hinein.

 
    Ich nannte dem Sicherheitspersonal an der Schranke um Punkt zehn Uhr die Hausnummer und meinen Namen. Ein Mann telefonierte kurz und winkte mich durch. Er sagte: „Schön sie zu treffen. Haben sie einen angenehmen Tag und gute Fahrt.“ In einigen Vorgärten sprühte Wasser in dünnen Schleiern über die Rasenflächen.
    Vor dem Haus der Eltern stand diesmal ein großer GMC Geländewagen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Polizeiwagen, aus dem zwei Beamte mich durch Sonnenbrillen regungslos beobachteten. Ich stieg aus, hob meine Arme wie ein ertappter Bankräuber und ging zur Beifahrertür des Geländewangens. Der Motor blubberte im Leerlauf vor sich hin. Ich winkte den Polizisten zu, öffnete die Beifahrertür des Geländewagens und stieg ein.
    „Da bist du“, sagte sie. Wir saßen einen Moment schweigend nebeneinander und schauten geradeaus durch die Scheibe. Dann legte sie den Automatikhebel um und mit einem Ruck fuhren wir los. Ich sah zu ihr hinüber. Ihr Gesicht kam mir runder vor. Sie trug ihre Haare länger.
    „Das Auto meiner Mutter“, sagte sie und nickte zum Armaturenbrett. „Das Auto gestern gehörte meinem Vater.“ Wir fuhren auf eine Landstraße, und dann auf eine breitere Überlandstraße Richtung Barstow. Ich drehte mich um und schaute durch die Heckscheibe. „Wo sind deine Freunde?“, fragte ich. „Bleiben sie vor dem Haus und wir fahren ohne Begleitung?“
    Sie bog von dem Interstate ab und fuhr auf einer kleinen Piste voller Steine und Staub mitten hinein in die Wüste. Sie hielt ein hohes Tempo auf der unbefestigten Straße und stoppte an einem Aussichtspunkt.
    Sie stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Hecktür. Ich stieg ebenfalls aus. Wir stellten zwei Campingliegen am Rand des Aussichtspunktes auf. Ich hievte eine schwere Kühlbox aus dem Kofferraum und stellte sie zwischen die Liegen. Sie holte ein Instantbarbecue aus dem Kofferraum und zündete es an.
    „Es braucht dreißig Minuten“, sagte sie. Wir saßen auf den weißen Campingliegen. Es gab nichts zu sehen, nur blassblauer Himmel, Steine und Staub. Ein feiner Wind wehte und die Temperatur war angenehm. Weit unten im Tal führte die Interstate entlang hinunter zur Küste des Kontinents. Große Fernlaster bewegten sich wie Raupen gleichmäßig vorwärts. Es war fast vollkommen still. Sie setzte eine Sonnenbrille auf. Das Barbecue qualmte und das Fleisch verbrannte zu kleinen schwarzen Klumpen. Wir tranken Limonade.
    „Hast du alles gesehen? Hast du alle Einzelheiten gesehen?“, fragte sie mich irgendwann, und machte mit dem Kinn eine Bewegung in Richtung der steinigen Täler und Berge ringsum. Ich schwieg.
    „Ich will hier weg. Das ist Wüste. Diese riesigen Städte entstanden aus dem Nichts. Ich denke jeden Abend daran, bevor ich einschlafe. Ich liege in einem Zimmer mitten in der Wüste, verstehst du? Ich weiß nicht, ob wir hier sein sollten. Sie haben Ampeln installiert. Überdachte Bocciabahn mit dichtem grünem Rasen drum herum. Ich besuche hier eine Universität.“ Und dann, nach einem Moment: „Ich will zurück nach England.“
    Ich schaute weiter auf Staub und Steine. „Ich schaffe es nicht allein“, fuhr sie fort. „Ich brauche jemanden.“
    „Amerikaner fahren immer durch Amerika. Europäer fahren immer durch Europa“, sagte ich.
    „Du hättest eine andere Hose anziehen sollen. Mein Bruder hat noch nie jemanden in so einer ... alles wäre leichter gewesen ohne diese Hose und ohne das Hemd. Gelb.
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