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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Autoren: Batya Gur
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Erstes Kapitel
     
    Michael Ochajon legte den schweren Band »Eine passende Partie«, in dessen Lektüre er schon seit Wochen vertieft war, speziell in den letzten beiden während seines Urlaubs, am Fußende des Bettes ab. Wie konnte man einen solchen Roman schreiben und dabei leben? Plötzlich verstand er die Klagen, die er von Frauen, die ihm nahe standen, sowie des Öfteren auch von seinem einzigen Sohn zu hören bekommen hatte über die Art, wie er in seiner Arbeit versank und wie unzugänglich er wurde, wenn er mit einem Fall befasst war. Eine fiktive Realität zu beschreiben oder in ihr zu ermitteln erschien ihm nun als die gleiche Anstrengung, genau dasselbe Bangen. Ein lautes Geräusch, das plötzlich vom Gang her zu hören war, riss ihn aus seinen Gedanken. Er eilte hinaus und ins Badezimmer. Er hatte die Tür des Schränkchens unter dem Waschbecken offen gelassen, damit die Feuchtigkeit darin nicht zu Schimmelbildung führte. Der Eimer, den er unter das Becken gestellt hatte, war umgestürzt, als sei eine Katze durch den Raum gelaufen, was jedoch nicht sein konnte. Die Fenster waren geschlossen und die Rollläden heruntergelassen, draußen trommelte heftiger Regen, und eine trübe kleine Pfütze hatte sich nahe der Eingangstür gebildet. Es gab keinerlei Erklärung dafür, dass der Eimer umgekippt war. »Der Schmetterlingseffekt«, hätte Zila bei dem Anblick gesagt. Und Balilati, hätte er sie gehört, hätte sicher aufgebracht kommentiert: »Was denn, schon wieder ein Effekt? Schon wieder der Schmetterling? Hast du denn nicht allmählich genug davon? Gibt’s eigentlich keine anderen Erklärungen außer der, oder wie?! Sag doch einmal, ›ich weiß nicht‹, das wär doch mal was!«
    Michael kehrte ins Schlafzimmer zurück und betrachtete die volle Zigarettenpackung, die auf dem Nachttischchen neben der Leselampe lag. Den ganzen Tag hatte er nicht geraucht. Die erste Urlaubswoche hatte er mit Zählen und Rationieren verbracht. Jeden Tag hatte er zwei Zigaretten weniger geraucht. Als ihm dann bewusst wurde, dass er so zwanzig Tage brauchte, um überhaupt nicht mehr zu rauchen, ihm jedoch nur noch eine Woche zur Verfügung stand, bis er zur Arbeit zurückkehren würde und endgültig aufgehört haben wollte, hatte er es mit einem Schlag eingestellt. Bereits seit fünf Tagen hatte er keine Zigarette angerührt. Vielleicht konnte er deswegen nicht einschlafen. Und der umgestürzte Eimer hatte ihn vollends wach gemacht. Er las besser wieder. Eines nämlich ließ sich mit Sicherheit über dieses Buch sagen, in dem eine ganze Reihe fantastischer Gestalten in einem äußerst farbig geschilderten historischen Rahmen agierte – es lenkte einen manchmal vom Nichtrauchen ab. Doch gerade in dem Moment, in dem er wieder die richtige Leseposition gefunden hatte und fast schon wieder in dem Buch versunken war, klingelte das Telefon.
     
    *
     
    Es gibt kein wahres Kunstwerk, das nicht Ergebnis der Überwindung eines Hindernisses ist; und je bedeutender das Werk in den eigenen Augen ist – desto schwieriger scheinen die Hindernisse, als stellten sie einen auf die Probe gegenüber dem Recht, das einem gegeben wurde oder das man sich genommen hat, das zu tun, was man sich erträumte. Manchmal könnte man sogar denken, die Hindernisse und Schwierigkeiten seien die treibende Kraft eines solchen Schaffens; eine Trotzreaktion allem Anschein nach, und ohne sie … Benni Mejuchas riss sich von seinen Gedanken los und blickte zuerst den Monitor und danach Schraiber an, den einzigen Kameramann, mit dem er an diesem Film zu arbeiten bereit gewesen war. Schraibers großes, weißes und glattes Gesicht glänzte, als er sich aus seiner gebückten Haltung über der Kameralinse aufrichtete. Benni Mejuchas berührte ihn an der Schulter und schob ihn ein wenig beiseite, um selbst durch die Linse zu spähen, und nun sah auch er die Gestalt, die am Rande des Daches, nahe dem Geländer, stand, mit einer Hand den Saum ihres weißen Kleides hielt und ihr bleiches, sich verzehrendes Gesicht dem dunklen Himmel zuwandte. Benni hob den Kopf und deutete mit dem Finger zum Mond.
    Die ganze Woche lang hatte es geregnet, vor allem nachts, und obwohl die Meteorologen wiederholt darauf hinwiesen, dass diese Regenfälle zum jetzigen Zeitpunkt, Anfang Dezember, ein Segen und Vorbote eines wunderbaren Winters seien, war Benni Mejuchas völlig außer sich. Ihm kam es vor, als habe der Leiter der Produktionsabteilung höchstpersönlich diesen Regen bestellt,
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