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1796 - Höllenbotin Helma

1796 - Höllenbotin Helma

Titel: 1796 - Höllenbotin Helma
Autoren: Jason Dark
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Morgen hatte es noch genieselt, und die Feuchtigkeit hatte sich gehalten. Die grauen Wolken hingen recht tief, es war auch kälter geworden.
    Vor meinen Füßen hörte ich das Husten, senkte den Kopf und schaute hin.
    Der junge Mann hatte sich gemeldet. Er wollte nicht mehr liegen und setzte sich jetzt hin. Dabei schaute er zu mir hoch, jedoch nicht mit einem dankbaren Blick, weil ich ihn gerettet hatte, sondern recht ärgerlich.
    Ich nickte ihm zu. »Geht es wieder?«
    Er lachte nur.
    »Bitte, wenn Sie nicht reden wollen, dann …«
    »Sie haben keine Ahnung.«
    »Das gebe ich gern zu. Deshalb würde ich Sie bitten, mich aufzuklären.«
    »Nein.«
    Ich gab dennoch nicht auf und wartete ab. Wie schon erwähnt, der Mann war noch jung. Vielleicht zwanzig Jahre alt. Er hatte lange schwarze Haare, die nach hinten gekämmt waren. Das Gesicht zeigte eine hohe Stirn und dunkle Augenbrauen.
    »Warum sind Sie so verstockt?«, fragte ich.
    Er stand auf und flüsterte mit scharfer Stimme: »Hauen Sie lieber ab.«
    »Warum?«
    »Es ist besser für Sie.«
    »Weshalb soll das besser sein?«
    »Sie wollen doch noch leben – oder?«
    »Ja, immer.«
    »Dann fliehen Sie.«
    Ich nickte. »Okay, ich könnte fliehen. Aber wenn ich das tue, würden Sie sich in Ihren Wagen setzen und in den Kanal fahren. Habe ich recht?«
    »Kann sein«, gab er freimütig zu.
    »Und warum das alles?«
    Er winkte ab. »Das sollte Sie nicht interessieren. Ist einzig und allein meine Sache.«
    »Nein, ist es nicht.« Jetzt fragte ich ihn direkt. »Warum haben Sie sich umbringen wollen?«
    »Habe ich das tun wollen?«
    »Es wies alles darauf hin.«
    »Das ist doch egal.«
    Wir standen uns gegenüber und schauten uns an. Ich merkte, dass der junge Mann Angst hatte. Darauf deutete sein Verhalten hin. Er konnte den Blick nicht halten, ich entdeckte sehr wohl das Flackern, das seine Unsicherheit verriet.
    Und es blieb nicht bei den Blicken, denn jetzt bewegte er auch den Kopf. Er schaute in alle Richtungen, als würde er nach einem Helfer suchen.
    »Okay«, sagte ich. »Wollen Sie mir nicht die Wahrheit sagen? Also, ich hätte nichts dagegen.«
    »Gehen Sie.«
    »Aber warum?«
    »Sie würden nichts verstehen.«
    »Sprechen Sie von der Wahrheit?«
    »Ja«, hauchte er.
    »Und was ist an ihr so schlimm?«
    Diesmal erfolgte die Antwort nicht sofort, sondern zögerlicher. »Sie ist nicht zu begreifen. Sie ist auf der einen Seite grauenvoll und auf der anderen abstrakt. So muss man das sehen. Sie ist gefährlich und auch tödlich.«
    Jetzt hatte er das gesagt, was er hatte sagen wollen, und er hatte mich damit zum Nachdenken gebracht.
    Tödlich? Gefährlich? Konnte das stimmen? Oder bildete er sich das nur ein? War er vielleicht ein Spinner, der sich selbst etwas vormachte? Das konnte zutreffen, doch ich hatte meine Zweifel. Er sah nicht aus wie ein Spinner. Eher wie jemand, der unter einem schrecklichen Druck stand.
    »Von welcher Gefahr haben Sie gesprochen?«
    »Einfach von ihr. Das sollte Ihnen reichen. Sie wird mich und die anderen holen. Sie ist schlimm, sie ist so etwas wie eine starke Rächerin.«
    »Also eine Frau?«
    »Kann man so sagen.«
    »Hat sie auch einen Namen?«
    Er nickte. »Sie heißt Helma.«
    »Aha.« Ich hatte den Namen gehört, konnte aber mit ihm nichts anfangen. Deshalb sagte ich: »Und weiter?«
    Da biss ich auf Granit, denn er schüttelte den Kopf. Ein Weiter gab es für ihn nicht. Er machte zu, und ich überraschte ihn mit einer ganz harmlosen Frage.
    »Wie heißen Sie?«
    »Peter Moore.«
    »Okay, Peter, ich heiße John Sinclair, und Sie haben mich wirklich durch Ihr Reden neugierig gemacht. Hätte ich nicht gedacht. Das ist aber so.«
    Er schüttelte den Kopf und trat sogar mit einem Fuß auf. »Ich kann Ihnen nichts sagen. Gehen Sie jetzt. Oder fahren Sie. Um meine Probleme brauchen Sie sich nicht zu kümmern.«
    Er schwitzte. Er litt noch immer. Er hatte Angst. Er konnte nicht ruhig schauen. Er kam mir vor wie jemand, der Probleme hatte und nicht mit ihnen zurechtkam.
    »Okay, Peter, ich bin nicht Ihr Vater, und ich bin auch nicht Ihr Schutzengel. Trotzdem sollten wir uns mal in aller Ruhe unterhalten, und das nicht hier am Kanal. Machen Sie einen Vorschlag. Wir können dorthin gehen, wo Sie sich wohl fühlen.«
    Er sagte nichts, schaute nur. Aber dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Es schlich sich ein kaum fassbares Erstaunen hinein.
    Aber nicht nur bei ihm oder mit ihm geschah etwas. Auch bei mir passierte etwas, und das
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