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Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Titel: Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
Autoren: Stefan M. Fischer
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Das Mondgeheimnis (Liebesdrama)
     
    Über ihrem Bett hing ein Kruzifix. Die Farbe unter Jesus’ Knien war abgeblättert, so oft hatte Alena es in den Händen gehalten und ihre Stirn im Gebet an diesen Beinen wund g erieben.
    Sie zog die Decke bis zum Kinn und starrte in das Mondlichtdunkel. Ihre Hände zitterten, noch immer wirkte der Albtraum nach. Papa saß auf der Bettkante, der Tür zugewandt. Hoffentlich noch die ganze Nacht, dachte sie. Den Kopf hatte er auf die Hände gestützt. War er eingeschlafen?
    Sie sah zu dem eingerahmten Foto auf dem Nachttisch. Er war darauf zu sehen, auf einer Wiese, vor zwölf Jahren, mit ihr als Baby auf dem Arm.
    Vergeblich tastete sie nach dem Stoffmond, ihrem Tröster, und er spähte seine Umrisse unendlich weit entfernt auf dem Stuhl neben der Kommode.
    Sie befühlte mit der Zunge die Kruste an der Unterlippe und wider stand dem Drang, sie aufzubeißen. Mit dem Deckenzipfel wischte sich Alena den Schweiß von der Stirn, dann stieg sie auf der anderen Seite aus dem Bett, so geräuschlos wie möglich und schlich am Fenster vorbei. Sie warf einen Blick auf die Tanne im Garten. Der Schnee glitzerte auf dem Wipfel.
    Drei Schritte später klemmte sich Alena den Stoffmond unter den Arm. Sie schlich zurück, auf dem Dielenboden fiel ihr ein dunkler Fleck auf. Alena beugte sich vor und erkannte einen eingetrockneten Bluts tropfen. Das musste vor wenigen Tagen passiert sein. Sie hatte unter dem Fenstersims gekauert, die Rippen des Heizkörpers im Rücken, den Tröster im Schoß, und sich die Lippe blutig gebissen.
    Alena legte den Stoffmond neben das Kopfkissen. Noch einmal schlich sie durch das Zimmer zur Kommode und durchsuchte die Schubladen. Sie fand eine offene Packung Tempos neben einem gläser nen Reh und dem Foto vom Strandurlaub. Ihr älterer Bruder Milan war darauf zu sehen, und ihre Mutter. Er hatte seine Beine eingegraben, seine grüne Badehose lugte unter dem Sand hervor. Ihre Mutter saß im Bikini auf einem Badetuch, die Haut noch ohne Brandnarben.
    Alena wollte das Foto zerknüllen, es in kleine Stücke reißen, zog die Hand aber wieder zurück. Sie sah über die Schulter zu Papa, drehte das Bild um und stellte das gläserne Reh darauf.
    Dann rubbelte sie mit dem Taschentuch und ein bisschen Spucke die Stelle vor dem Fenster sauber und warf das schmutzige Tempo in den Papierkorb.
     
    Vor dem Bett blieb sie stehen und griff sich den Stoffmond. Sie streichelte über den gelben Plüsch und ertastete die ausgefranste Stelle am Rand. Flaum schimmerte hindurch. Alena hatte Angst, dass ihn die nächste Wäsche zerfleddern könnte. Ihre Mutter zu bitten, die Wunde des Trösters zu nähen – das wagte sie nicht.
    Sie schlüpfte unter die Decke, leise, nicht, dass Papa wach wurde, und hielt den Stoffmond gegen den Bauch gedrückt.
    »Mama!« Die Stimme kam aus dem Flur, Milans Stimme. Er klang erschrocken.
    Alena krallte die Finger in den Tröster. Bestimmt hatte ihr Bruder wieder einmal an der Tür gelauscht und war von der Mutter ertappt worden.
    »Milan!«, hörte sie Mutter in der Schärfe sagen, die Alena so fürchtete. »Was machst du da?«
    »Ich … ich wollte nur ins Bad und … und da hab ich sie gehört! Papa und …«
    Alena kauerte sich zusammen und presste den Stoffmond zwischen die zitternden Knie. Sie stellte sich die beiden vor: Neben der Kommode mit dem Telefon zog Milan den Kopf ein, den Blick auf den eisernen Zeitungsständer am Boden fixiert, während Mutter die welligen Narben am Hals rieb und auf Antwort wartete.
    Papa stand auf, die Matratze gab nach. Er streckte sich und gähnte. Bleib da, wollte Alena rufen. Bleib da!
    Die Tür ging auf und eine Gestalt erschien im Türrahmen, ihre Mut ter. Alena zerbiss die Kruste an der Unterlippe. Papa blieb neben dem Bett stehen, vom Flurlicht eingefangen und nestelte an seinem Hosenbund. Sein Hemd war zerknittert. Alena schlüpfte aus dem Bett und versteckte sich darunter.
    »Was machst du hier?«, hörte sie die Mutter.
    »Hedvika, ich …«
    »Dieses Schwein!«, schnaufte Milan mit erstickter Stimme.
    Auf Papas Pantolette schimmerte ein Fettfleck. Alena rutschte weiter nach vorn und hielt sich am Bettpfosten fest, während sie dem Geschehen zusah.
    »Wie konntest du nur?«, wisperte Mutter. Ihre zitternde Hand hielt den Türgriff umkrallt. Sie hatte sich den blauen Morgenmantel nur um gelegt. Die Ärmel wippten. Vornübergebeugt stand sie da und blickte auf den Läufer vor Alenas Bett, mit der anderen Hand
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