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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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technische Fertigung, Salisbury am nächsten Tag verlassen zu wollen. Als Gesetzesbrecher und als Verräter an der Community.
    »Eigentlich sind wir bereits jetzt lebende Tote«, sagte er bitter. »Es geht nicht mehr darum, etwas zu riskieren. Es geht um die Chance auf ein Überleben. Ich hoffe, ihr versteht mich – und kommt mit mir.«
    Sie sahen sich an. Traurig, resigniert, seelisch wie geistig erschöpft.
    Entschlossen reckte Sir Leonard das Kinn nach vorne. Tiefe Falten zerfurchten seine Stirn. Nacheinander fixierte er mit düsteren Blicken seine Verbündeten. Die Vernünftigen, wie er sie in Gedanken nannte. »Ich erwarte bis morgen eine Antwort von euch dreien. Wenn ihr hinter mir steht, werde ich eine Ansprache an die Community halten.«
    Die Octaviane nickten und verließen nacheinander seine Räumlichkeiten.
    Ja. So würde er es machen. Gleich morgen früh. Ohne noch einen einzigen Gedanken an die gesetzliche Rechtmäßigkeit seines Vorhabens zu verschwenden.
    Doch alles kam ganz anders.
    Denn als die wenigen Kerzen in den Gängen erloschen und nur noch das Schnaufen derjenigen zu hören war, die über Tretkurbeln und primitive Riemen die Wellen der Ventilatorflügel in Bewegung hielten, machten sich Meuchelmörder auf den Weg.
    Peter Sriphan war der Erste, den es erwischte. Sein Leib wurde von mehr als einem Dutzend Messerstichen durchbohrt.
    Der Prime war das nächste Ziel…
    2.
    Eve Neuf-Deville:
    Als die Dunkelheit zum zweiten Mal kam, war ich gerade auf dem Weg hinab zur Wissenschaftsstation des Community-Bunkers, die allgemein nur »Nest« genannt wurde.
    Die Schwärze brach mit einer beinahe körperlich spürbaren Wucht über mich herein. Sie erschwerte das Atmen. Sie drückte mich nieder. Sie brachte Ängste, von denen ich bislang nur aus alten Lehrkassetten gehört hatte.
    Ihr könnt euch die Erleichterung nicht vorstellen, als ich mich an mein altes Feuerzeug in meiner Tasche erinnerte, es in die Hand nahm und ein winziges Licht vor meinen Augen aufflammte.
    So rasch es ging, flüchtete ich zurück in mein Zimmer. Ich achtete nicht auf andere Menschen, die die Gänge entlang schlichen. Ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben, sie unter keinen Umstand mit meiner Panik konfrontieren.
    Ich schloss mich in meinem privaten Bereich ein, verkroch mich unter der Bettdecke, wartete.
    Stundenlang.
    Nichts änderte sich, die Dunkelheit blieb.
    Ich wusste nicht, was vor meiner Türe vor sich ging. Ob das Octaviat noch existierte, ob Sir Leonard klaren Kopf behalten hatte, ob und welche Maßnahmen unternommen wurden, um uns zu retten.
    Angst. Angst. Angst. Das Zittern meines Körpers wollte nicht enden. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, hatte jegliche Kontrolle über mein Leben verloren.
    Stets hatte ich mich darum bemüht, anderen Menschen die Kontrolle über ihren Geist zu geben – oder zurück zu geben.
    Und nun befand ich mich in einer Situation, der ich selbst vollkommen hoffnungslos gegenüberstand.
    Nach langer Zeit kam ich zu mir und wollte meinen Durst löschen. Ich tastete mich vor zum Becken.
    Aus dem Hahn drangen lediglich ein Röcheln und wenige Tropfen, die metallen schmeckten. Erst jetzt bemerkte ich, wie stickig die Luft geworden war.
    Ich musste etwas tun, musste raus aus diesem Albtraum.
    Keine Sekunde lang dachte ich an die anderen Menschen, die dieselben Ängste durchstehen mochten. Mein Berufsethos war vergessen. Nur mein eigenes Schicksal zählte noch.
    Ich hörte Schmerzensschreie, als ich mich in der Dunkelheit lange Gänge entlang tastete. Das Feuerzeug wagte ich nicht zu benutzen, in der Angst, jemand könnte mich sehen.
    Einmal meinte ich einen Luftzug zu spüren, als jemand in die entgegengesetzte Richtung an der Wand entlang schlich. Als ich den flackernden Schein einer Kerze oder eines Feuerzeugs am Ende der Wohnebene bemerkte, wich ich aus.
    Irgendwann kehrte ein kleiner Rest meines Verstandes zurück. Ich erinnerte mich, wo ich war, und ich spürte einen Hauch frischer Luft.
    Knapp vor mir, nach einem rechtwinkeligen Knick, musste sich der Zugang zu einem der Hauptlüftungsschächte befinden. Augenblicklich füllte sich mein Körper mit unbändigem Verlangen. Raus, raus, raus, schrie er, nur weg von hier, nach oben! Ich ließ für einen Moment mein wertvolles Feuerzeug aufflackern und versicherte mich, ob ich mich beim richtigen Zugang befand. Es war kaum mehr mein Denken, das mich vorwärts trieb. Ein Überlebensinstinkt wie der einer Ratte hatte mich befallen.
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