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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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Schlussendlich sind wir nichts anderes als Tiere, nicht wahr?
    Ich betrat den Verteilerraum zum Luftschacht, wollte mit zittrigen Fingern und im vergehenden Licht meines fast leeren Feuerzeugs die Verkleidung beiseite reißen und mich in den metallverkleideten Hohlraum zwängen – als ich bemerkte, dass ich nicht alleine war…
    ***
    Der erste Tag
    Wie Ratten kamen sie aus den Löchern gekrochen.
    Besser gesagt: aus dem kompliziert angelegten Luftversorgungssystem der Community Salisbury, dessen Ventilatoren seit vielen Stunden still standen.
    Erschöpft schnappte Eve Neuf-Deville nach Luft, atmete erleichtert und besorgt zugleich den Geruch nach Kälte und beginnendem Winter ein.
    Das Licht hier draußen war grell, viel zu grell nach den Stunden, die sie in beinahe absoluter Dunkelheit verbracht hatte.
    In diesem Gefängnis, das einmal ihre Heimat gewesen war.
    Sie ließ sich ins feuchte Gras sinken, schreckte aber gleich darauf wieder hoch.
    »Hilf mir rauf«, bat eine zittrige Frauenstimme.
    Li Donaghue. Neunzig Jahre alt. Für ihr Alter sehr fragil und zittrig und bleich wie Kreide. Sie hatte den Bunker noch nie verlassen. Nun musste sie es tun.
    Eve half der Frau vorsichtig hoch und stützte sie.
    Ihr Atem ging rasch, viel zu rasch für eine Frau mittleren Alters. Sie war bereits jetzt am Ende ihrer Kräfte.
    Mboto, ihr gleichaltriger Mann, schob sich als nächster aus der Bodenlücke. Auch er wirkte müde und abgekämpft. Kein Wunder; er hatte Dinge tun müssen, die für sie alle noch vor wenigen Wochen undenkbar gewesen waren.
    Ein struppiger Blondschopf drängte dem Mann nach, stieß ihn richtiggehend ins Freie. Die junge Su Caffrey summte eine Melodie, wie sie es während des ganzen Aufstiegs getan hatte.
    Eve atmete tief durch. Vielleicht war es die Unbeschwertheit des Mädchens und ihres Zwillingsbruders Linus gewesen, die sie all die Strapazen hatten überwinden lassen.
    Den Kampf gegen die fanatisierten Bunkerverteidiger , wie sich die halb wahnsinnigen Milizen von »Seven« Duncan genannt hatten. Die Suche nach einem Ausgang in dieser allumfassenden Schwärze. Die stetig schlimmer werdenden Kopfschmerzen; das Gefühl, jeden Moment ersticken zu müssen.
    Dann endlich: der Einstieg in das Luftversorgungssystem, an dessen Ende ein winzigkleiner Lichtschimmer wartete. Die Passage zwischen den Ventilatorpaddeln hindurch, mit der Angst im Nacken, irgendjemand könnte die messerscharfen Verwirbler gerade jetzt wieder aktivieren.
    Kampfgeräusche, vielfach durchs Echo gebrochene Schreie, die sie bis weit hinauf hatten hören können. Das Gefühl, verfolgt zu werden. Den Ausgang niemals zu erreichen.
    Irgendeinen der Wahnsinnigen hinter sich zu haben.
    Und nun…
    »Geschafft!«, sagte Linus leichthin. Er schwang sich aus dem Loch und grinste frech über sein nach den vielen Aufenthalten im Freien sommersprossiges Gesicht.
    »Geh endlich beiseite!«, forderte ihn das letzte Mitglied ihrer kleinen Gruppe auf, dessen verschwitztes Gesicht soeben zum Vorschein kam: Pat McGonnagle. Einer der wenigen Soldaten, die zur Sicherung des Bunkers zurückgeblieben waren und dessen spärlicher Verstand hinter der nicht gerade besonders hübschen Stirn wahrscheinlich nicht ausgereicht hatte, um ihn durchdrehen zu lassen wie so viele andere.
    »Was nun?«, fragte er und kratzte sich am kahlen Kopf.
    Eigenen Antrieb konnte Eve von dem fast zwei Meter großen und extrem schlanken Mann wohl nicht erwarten. Aber er war leicht zu manipulieren und würde ihr bedingungslos folgen, wenn sie die richtigen Worte fand.
    »Wir sind erstmal in Sicherheit«, sagte Eve gegen besseres Wissen. Was hätte sie nur dafür gegeben, Zigaretten bei sich zu haben! Natürlich hatte sie mit dem Rauchen aufgehört – aber ein derart intensives Verlangen nach einer kleinen Dosis Suchtgift wie in diesem Moment hatte sie nie zuvor verspürt.
    »Da sind Spuren!«, rief Linus aufgeregt. Er deutete auf Fußabdrücke in der feuchten Erde.
    »Es sind schon andere vor uns rausgekrochen«, murmelte Su. »Da, an der scharfen Kante des Luftschachts, hängt ein Stofffetzen. Und das hier könnte getrocknetes Blut sein.«
    Die Halbwüchsige musste scharfe Augen besitzen. Sie und ihr Bruder hatten schon viele Stunden hier oben verbracht, gespielt und sogar mit Barbaren Kontakt gehabt.
    »Wo sind sie hingegangen?«, fragte Eve.
    Jeder Bunkermensch, der an die Oberfläche geflüchtet war, war ein potenzieller Verbündeter. Je größer ihre Gruppe, desto größer auch
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