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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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weiter diskutieren. Die Voraussetzungen sind für uns glücklicherweise dieselben. Wir alle tragen die Beutel an unseren Körpern…«
    »Ich fürchte doch, dass wir darüber reden müssen, Eve.«
    Kurz öffnete er den Kragen und zeigte den durchsichtigen Beutel her. Er war bis auf ein Viertel leer. »Besitzen wir alle die gleiche Menge?«, fragte er. »Hast du einen gefüllten Beutel, Eve? Und du, Pat?«
    »Das sollte vorerst kein Thema sein«, beruhigte sie den alten Mann. »Wenn wir normal vorankommen, erreichen wir London in vier oder fünf Tagen. Bis dahin reicht dein Vorrat sicherlich. Schließlich fasst ein voller Beutel ausreichend Wirkstoffe für drei Monate.«
    »Und wenn etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt?«
    »Dann werden wir darüber sprechen, wenn es so weit ist«, antwortete Eve ausweichend.
    Niemand sagte mehr ein Wort. Sie packten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen, verteilten die Last und machten sich auf den Weg.
    Verdammt! Die Gruppe hatte sich noch nicht einmal auf den Weg gemacht, und schon waren die ersten Risse im Gefüge zu erkennen.
    ***
    Eine halbe Stunde später fanden sie die beiden Männer, die vor ihnen aus dem Luftschacht gestiegen waren.
    Sie hatten sich gegenseitig umgebracht.
    Im Hals des einen steckte ein langer rostiger Dorn. Der andere lag nur wenige Dutzend Meter entfernt, lange Kratzer im Gesicht und an den Händen.
    Die gebrochenen Augen des ersten Toten zeugten vom Schmerz, den er in den letzten Momenten seines Lebens durchgemacht hatte. In der Rechten hielt er krampfhaft den inzwischen ausgelaufenen Serumsbeutel, den er seinem Partner von der Brust gerissen hatte.
    Su, das sonst stets Optimismus ausstrahlende Mädchen, wandte sich ab und übergab sich in die Büsche, während die Donaghues gemeinsame Zuflucht in einer stummen Gebetslitanei fanden.
    »Wir… wir müssen sie untersuchen und ihnen das wegnehmen, was wir gebrauchen können«, unterbrach schließlich Linus das schreckliche Schweigen.
    »Das meinst du hoffentlich nicht im Ernst?«, fragte Li.
    Wackelig stand sie von ihrem Gebet auf und blickte den Jungen fassungslos an.
    »Er hat leider Recht«, antwortete Eve an Linus’ Stelle. »Uns werden die Sachen der Toten gute Dienste leisten. Ihnen kann’s egal sein.«
    Niemals hätte sie gedacht, so nüchtern über derartige Dinge sprechen zu können. Aber die Zäsur, die sie hinter sich hatten, veränderte sie alle. Und wer nicht bereit war, sich den neuen Verhältnissen zu unterwerfen, würde scheitern.
    So wie die Bunkerverteidiger, die wohl elendiglich ersticken würden.
    Mit spitzen Fingern drehte sie den ersten Leichnam auf den Rücken. Er fühlte sich steif an. Die Haut war eingefallen und fleckenweise blau. Unter dem Laubhaufen, auf dem er gelegen hatte, gab es Bewegung. Längst hatten sich Käfer, Würmer und Fleggen am Fleisch des Mannes gütlich getan oder ihre Larven abgelegt.
    Noch vor vier Tagen war dieser Mann bei ihr gewesen. Hatte sie um ihren Rat als Lebenshelferin gebeten, weil er sich in eine Frau verliebt hatte, die in einer festen Beziehung steckte.
    Eve verdrängte seinen Namen, so gut es ging. Er ist nur totes Fleisch, nicht mehr. Bloß nicht darüber nachdenken, was ihn ausgemacht hat. Über seinen Sinn für Humor, die Vorliebe für ausgefallene Barbarenkleidung, seine Sammlung kleiner selbst geschnitzter Figuren und den Hauch von Melancholie, der ihn stets umgeben hatte… Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Reiß dich gefälligst zusammen, Eve! Denk an die Lebenden!
    »Pat – du und Linus kümmert euch um den anderen Toten. Ich und Mboto werden sehen, was wir hier finden.«
    Zögernd gehorchte der Soldat. Auch er war um die Nasenspitze noch ein wenig blasser geworden.
    Eve kontrollierte den Serumsbeutel auf der Brust des Mannes. Er war bis auf wenige Tropfen leer. Damit war der Grund der tödlichen Auseinandersetzung klar.
    Schließlich durchsuchte sie die Taschen, mit aller Kraft auf ihre Aufgabe fokussiert. Mboto war ihr keine große Hilfe.
    Mehrmals musste er sich abwenden und tief durchatmen, bevor er das an sich nahm, was Eve ihm reichte.
    »Ich habe alles«, sagte sie schließlich und stand auf, physisch wie psychisch einem Zusammenbruch nahe.
    Linus und Pat hatten ihre grausige Arbeit ebenfalls fast beendet. Ein letztes Ratschen zeugte davon, dass sie die Reste der Bunker-Uniform in lange Bahnen gerissen hatten.
    »Sollten wir Fackeln brauchen«, sagte Linus achselzuckend, als er zu ihnen stieß. Mit seiner
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