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Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne
Autoren: Andreas Franz
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Der Weg zur Wahrheit
führt durch ein dichtes Gestrüpp von Lügen
     
     
Freitag, 16. Juni 2000
    Die Maschine aus Nizza landete pünktlich am späten Nachmittag auf dem Rhein-Main-Flughafen. Pierre Doux war einer der Letzten, der den riesigen Terminal betrat. Er blickte zur Uhr, kurz nach fünf, und begab sich mit der Reisetasche und dem Aktenkoffer zum Ausgang. Es war schwül, wärmer noch als in Nizza, der Himmel milchig blau, der Taunus versteckte sich hinter einer dichten Dunstwolke. Doux setzte sich in ein Taxi und bat den Fahrer, offensichtlich ein Türke, der sich immer wieder mit der Hand über die schweißüberströmte Stirn fuhr, in akzentfreiem Deutsch, ihn zum Marriott-Hotel zu bringen. Während der Fahrt fiel kein Wort, nur ab und zu waren über Funk Anweisungen der Taxizentrale zu hören. Sie quälten sich durch den Wochenendverkehr, immer wieder lange Wartezeiten vor den Ampeln. Schließlich erreichten sie nach mehr als einer halben Stunde das Hotel. Doux zahlte den geforderten Betrag und gab dem Fahrer noch fünf Mark Trinkgeld. Er nahm seine Reisetasche, stieg aus und ging zur Rezeption, um sich anzumelden.
    »Monsieur Doux«, sagte die rotblonde junge Frau hinter dem Schalter mit charmantem Lächeln und blickte ihn aus grünen Augen an und anschließend auf das Reservierungsbuch. »Hier ist Ihre Chipkarte, und dann bekomme ich bitte noch die obligatorische Unterschrift. Alles Weitere brauche ich Ihnen ja nicht mehr zu erklären, Sie kennen sich ja bestens hier aus.«
    Doux unterschrieb in dem dafür vorgesehenen Feld, nahm dieChipkarte, lächelte die junge Frau an und trat in den Aufzug, der ihn in den 43. Stock brachte. Er hatte dasselbe Zimmer wie immer, mit Blick auf die Stadt, in der er des Öfteren geschäftlich zu tun hatte. Die Klimaanlage war eingeschaltet, es war angenehm kühl in dem Raum. Er stellte seine Tasche und den Aktenkoffer auf den Boden, ging kurz zum Fenster und ließ seinen Blick für einen Moment über die imposante Skyline von Frankfurt schweifen. Er kannte viele Großstädte in Europa, doch keine außer Frankfurt besaß in seinen Augen mehr internationales Flair. Er verglich diese Stadt immer wieder mit den großen Städten Amerikas, New York und Chicago, obgleich deren Häuser noch weiter in den Himmel ragten.
    Pierre Doux war einsneunundsiebzig, hatte volles, fast schwarzes Haar, dunkle Augen und einen schlanken, fast asketisch wirkenden durchtrainierten Körper. Er hatte ausgeprägte Wangenknochen, schmale, doch wohl geformte Lippen und ein leicht hervorstehendes Kinn, das ihm etwas Markantes verlieh. Aus der Minibar holte er eine Flasche Wasser und schenkte sich ein. Er trank in kleinen Schlucken und setzte sich dabei aufs Bett. Nachdem er ausgetrunken hatte, stellte er das Glas auf den Nachtschrank, entkleidete sich und machte hundert Liegestütze, davon je fünfundzwanzig mit dem rechten und dem linken Arm und anschließend hundert Sit-ups. Die folgenden zwanzig Minuten verbrachte er mit Tai-Chi. Doux beherrschte seinen Körper wie kaum ein anderer, rauchte nicht, trank keinen Alkohol, außer zu besonderen Anlässen in einem seiner beiden Luxusrestaurants in Nizza und Monaco, aber auch dann höchstens ein Glas Champagner. Das einzige Laster, dem er hin und wieder frönte, waren Frauen. Nach den Übungen begab er sich unter die Dusche. Er ließ das abwechselnd warme und kalte Wasser lange über seinen verschwitzten Körper laufen, wusch sich die Haare und trocknete sich danach ab. Er zog eine frische Unterhose an, nahm seinen Aktenkoffer, holte ein Notebook heraus, steckte das Modem in die dafür vorgesehene Buchse, drückte einen Knopf und tippte ein paar Befehle in die Tastatur. Er wartete, bis die Verbindung hergestellt war, und gab eine kurze Nachricht durch. Anschließendschaltete er das Notebook wieder aus und trank ein weiteres Glas Wasser.
    Doux war nicht verheiratet. Er hatte nur einmal eine längere Beziehung gehabt, die jedoch von einem Tag auf den andern von der Frau beendet worden war, was zwar schon mehr als zwanzig Jahre zurücklag, woran er aber in manchen Momenten noch immer wehmütig dachte. Er war nicht bindungsfähig, das wusste er, doch es machte ihm nichts aus. Nur einmal hatte es noch eine Frau gegeben, für die er mehr als bloß oberflächliche Gefühle empfunden hatte, aber diese Frau wollte nichts von ihm wissen, was ihn zutiefst getroffen hatte. Dennoch genoss er das Leben, soweit ihm dies möglich war. Er war vermögend, hatte viele
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