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1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel

1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel

Titel: 1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel
Autoren: Jason Dark
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hätte Claasen nicht das Erlebnis auf dem Friedhof an der Kirche gehabt. Er sah die Frau, vereiste innerlich und hoffte, dass man ihm nichts anmerkte.
    Sigrid Böhme jedenfalls gab sich völlig unbefangen. Sie grüßte freundlich und ging nach rechts, um sich dort auf die Bank zu setzen. Sie trug eine bestickte Jeansjacke zu der braunen Jeans und als weiteres Oberteil ein beiges Shirt.
    Das Lächeln ließ ihr Gesicht sehr offen erscheinen, die blonden Haare hatte sie in die Höhe gekämmt, sodass sie auf eine gewisse Art und Weise gepflegt zerzaust aussahen.
    Claas musste sich zusammenreißen.
    »Nun, haben Sie den Tag gut verbracht?«
    »Das habe ich.«
    »Und Ihr Mann?«
    Sigrid hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob er noch kommt. Er wollte noch Fußball sehen.«
    »Ha«, meldete sich Andreas, »jetzt weiß ich auch, warum dieser Südpreuße Pestel so schnell verschwunden ist. Was läuft denn?«
    »Champions League.«
    »Ach so. Da haben wir nicht viele Chancen.«
    »Na, na«, beschwerte sich Sigrid Böhme, bevor sie einen Grauburgunder bestellte. »Denken Sie mal an die Bayern.«
    »Sie kommen daher, nicht?«
    »Genau.«
    Andreas lachte. »Ist ja nicht zu überhören.«
    Der Hotelier stellte das Weinglas hin. »Wohl bekomm’s. Bestes aus dem Badischen.«
    »Das weiß ich doch.« Sigrid Böhme nippte, nickte und trank danach einen kräftigen Schluck. »Ja. Sie haben recht, Herr Claasen.«
    »Sagte ich doch.«
    Sigrid winkte Claas näher zu sich heran. »Mal eine andere Frage. Wie sieht es mit meinen Bildern aus?«
    »Ich habe leider noch keines verkaufen können.«
    »Schade.«
    »Sie sind vielleicht zu ungewöhnlich.« Die Künstlerin runzelte die Stirn. »Bitte, wie meinen Sie das denn?«
    Claas senkte seine Stimme. »Ich will ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber ungewöhnlich sind sie schon. Ich denke da an die Maße. Außerdem haben sie keinen Rahmen. Manche Kunden sind eben komisch.«
    »Und was sagen Sie zu den Motiven?«
    »Ich finde sie interessant.«
    »Aber…«
    »Auch ein wenig gewöhnungsbedürftig. Vielleicht sogar etwas unheimlich.«
    Sigrid Böhme lächelte, bevor sie wieder einen Schluck Wein trank.
    »Das kann zutreffen. Man darf natürlich nicht vergessen, worauf die Bilder gemalt sind.«
    »Auf Holz, denke ich.«
    »Das ist richtig. Aber auf einem besonderen Holz, das schon recht alt ist. Es sind alte Totenbretter aus dem Bayerischen Wald und der Oberpfalz.«
    »Was bitte?«
    »Bretter, auf die man früher Tote gelegt hat, um sie zum Friedhof zu transportieren. Danach wurden sie als Grabmale benutzt und zuvor bemalt. Das ist die Geschichte im Groben.«
    »Und wer hat sie bemalt? Sie, Frau Böhme?«
    Die Künstlerin lächelte. »Ja und nein. Ich habe die alten Totenbretter gefunden. Auf ihnen waren noch die alten Bemalungen zu erkennen, die ich restauriert habe. Einige Motive stammen auch von mir, das will ich nicht verhehlen.« Sie lächelte. »Ich habe versucht, mich an die alten Motive zu halten, und ich hoffe, dass es mir einigermaßen gelungen ist.«
    »Das denke ich doch.« Claasens Gedanken schlugen Purzelbäume.
    Er wollte die Frau etwas Bestimmtes fragen, nur wusste er nicht, wie er beginnen sollte. Er konnte ihr schließlich nicht sagen, dass er sie als Geist erlebt hatte, der auf dem Friedhof herumspukte.
    »Wollen Sie ein Brett kaufen, Herr Claasen?«
    Der Hotelier hatte Mühe, sein Erschrecken zu unterdrücken. Er wollte die Frau auch nicht vor den Kopf stoßen und hob die Schultern an. »Vielleicht überlege ich es mir.«
    »Ich mache Ihnen auch einen guten Preis.«
    »Danke.«
    Jetzt wusste Claas, wie er anfangen sollte. Zuerst lachte er leise auf und sagte dann: »Es ist komisch, aber ich war kurz vor Einbruch der Dunkelheit auf dem Keitumer Friedhof, und da hatte ich das Gefühl, Sie, Frau Böhme, gesehen zu haben.«
    »Mich?«
    »Ja.«
    »Nein«, erklärte sie voller Überzeugung. »Da müssen Sie sich getäuscht haben. Wirklich.«
    »Komisch…«
    »Ich war mit meinem Mann in Kampen unterwegs. Wir sind eine leckere Rinderroulade essen gegangen und dann zurück zum Hotel gefahren. So ist unser Abend verlaufen.«
    »Dann muss ich mich wohl wirklich geirrt haben.«
    »Bestimmt.« Sie schüttelte den Kopf. »Und eine Doppelgängerin habe ich nicht. Auch keine Zwillingsschwester.«
    Claasen hob die Schultern. »In der Dämmerung kann man sich leicht täuschen, das gebe ich zu.«
    »Genau das wird es gewesen sein.«
    Die Tür wurde aufgestoßen, und weitere Gäste betraten
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