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1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel

1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel

Titel: 1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel
Autoren: Jason Dark
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Aber auf mich hat ja keiner gehört.«
    »Schon gut, Hauke, geh nach Hause.«
    »Das werde ich auch tun!« Er nickte dem Hotelier kurz zu und schob sich an ihm vorbei.
    Claas hörte ihn rennen, drehte sich um und sah, dass seine Gestalt von der Dämmerung verschluckt wurde.
    Verrückt!, dachte er. Der ist wirklich verrückt. Über dreißig Jahre ist er Totengräber, kennt alles auf dem Friedhof in- und auswendig und dreht plötzlich durch.
    Das war nicht normal.
    Aber Claas Claasen konnte komischerweise nicht darüber lachen.
    Er wusste selbst nicht, warum das so war, aber auslachen konnte er den Totengräber nicht.
    Hauke war so von der Rolle gewesen, der hatte sich echt gefürchtet, und wahrscheinlich war ihm wirklich etwas über den Weg gelaufen, das ihn so erschreckt hatte.
    Er war den Umgang mit Toten gewohnt. Er hatte in seinem Leben mehr Leichen gesehen als andere Euroscheine, und deshalb dachte Claasen darüber nach, ob nicht tatsächlich etwas auf dem Friedhof steckte, das man als nicht geheuer bezeichnen konnte.
    Der Hotelier setzte seinen Weg fort und wunderte sich über sich selbst, weil er langsamer und vorsichtiger ging als zuvor. Er schaute auch nicht mehr stur geradeaus, sondern schielte aus den Augenwinkeln zu den Gräbern hin, auf denen die unterschiedlichen Steine wie Wächter standen, die für die Ewigkeit geschaffen zu sein schienen. Dabei wunderte er sich, dass ein kalter Strom von seinem Nacken her über den Rücken kroch und erst am letzten Wirbel endete.
    Es war kein Mond zu sehen, es leuchteten auch keine Sterne. Der Himmel blieb dunkel, und die Kirche mit ihrem schon von weitem sichtbaren Turm sah aus wie ein Schattenriss.
    Er erinnerte sich wieder an die ungewöhnliche Kühle, die ihn erfasst hatte. Aber sie mit dem Erscheinen eines Geistes in Verbindung zu bringen war schon etwas weit hergeholt.
    Das Ende des Wegs geriet in seine Sichtweite. Die Büsche, die den Platz vor der Kirche umstanden, hatten in der Dämmerung ein anderes Aussehen angenommen. Manchmal wirkten sie wie kauernde Gestalten, die nur darauf warteten, ihren Platz verlassen zu können.
    Der Hotelier ging jetzt schneller. Er wollte zu seinem Auto und wieder zum Hotel fahren. Den Wagen hatte er an der Seite des Geländes abgestellt.
    Aber er ging nicht nach rechts zum Ausgang hin, sondern schritt weiter geradeaus, denn dort stand eine Figur, die ihn anzog wie ein Magnet. Es war der Mörder-Mönch von Keitum. Kein Geist, sondern eine Gestalt aus festem Material.
    Eine unheimlich wirkende und vorn offene Statue. Im Innern mit einer dichten Schwärze gefüllt, so extrem dicht, dass sie sogar einen Teil des Sonnenlichts schluckte, wenn es hineinschien.
    Claas wollte nicht an die alte Geschichte denken, als der Mönch das Grauen über St. Severin gebracht hatte und es schreckliche Szenen und sogar einen Toten geben hatte: seinen Stammgast Hajo Becker.
    Doch so allein auf dem Friedhof musste er sich seinem inneren Trieb beugen und ging mit kleinen, schleichenden Schritten auf die mit einer grünen Patina überzogene Figur zu.
    Sträucher rahmten sie ein. Hinter den Sträuchern standen die alten Grabsteine, und das alles war auch so geblieben. Davor hätte man keine Angst haben müssen, und trotzdem klopfte Claasens Herz schneller, zudem er damals zu den Hauptpersonen bei diesem unheimlichen dämonischen Drama gehört hatte.
    Jetzt wieder?
    Claas blieb vor der vorn offenen Figur stehen. Um hineinschauen zu können, musste er sich bücken. Er dachte dabei wieder an die so ungewöhnliche Kälte und wäre nicht verwundert gewesen, wenn er sie auch jetzt wieder gespürt hätte.
    Das war jedoch nicht der Fall.
    Nichts drang aus dem Innern der Figur hervor. Es war sehr dunkel, abweisend finster sogar, aber das war auch alles. Claas nahm es als völlig normal hin, und er war auf der anderen Seite restlos erleichtert, dass der Horror nicht wieder von vorn begonnen hatte.
    Selten hatte er sich so geirrt, und das wurde ihm in den nächsten Sekunden klar.
    Der Hotelier richtete sich auf. Er wollte sich umdrehen und dann seinen Weg zum Wagen fortsetzen, aber das schaffte er nicht mehr, denn hinter ihm war etwas.
    Ein eisiger Luftstrom.
    Die unnatürliche Kälte, die ihn jetzt mit voller Kraft traf.
    Claasen zitterte plötzlich. Er hatte vorgehabt, sich umzudrehen, aber das ließ er zunächst bleiben. Er schaute nur auf den Mönch.
    Seine Gedanken bewegten sich dabei in eine andere Richtung. Er sagte sich selbst, dass alles nur Einbildung war,
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