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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will
Autoren: Sofie Cramer
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Prolog
    Lisas Blick ruhte auf dem sanft gewölbten Horizont. Sie liebte diese kostbaren Augenblicke am Morgen, die Zeit zwischen Traum und Tag, in der die Gedanken noch frei und leise waren.
    Aus dem Flugzeugfenster sah sie, wie die ersten Sonnenschimmer das tiefdunkle Blau der Nacht allmählich in blendende Pastelltöne verwandelten, die auf einem Meer weißer Wolken zu tanzen schienen. Friedlich und unbekümmert, dachte Lisa, wie das Lächeln der farbigen Mädchen, die noch vor wenigen Tagen am Strand von Sansibar durch ihr blondes, glattes Haar gestrichen hatten. Aus den glänzenden Kinderaugen hatte pure Lebensfreude gestrahlt, und Lisa war ganz warm ums Herz geworden.
    Bewegende Momente wie diese hatte es viele gegeben auf ihrer verspäteten Hochzeitsreise. Morgens nach dem Frühstück waren Erik und sie oft am Strand entlangspaziert. Die einheimischen Kinder liefen auf sie zu, als hätten sie schon lange auf ihren Besuch gewartet. Sie sprachen Swahili. Und auch wenn Lisa kein einziges Wort verstand, hatte es doch meist freundlich geklungen. Die Mädchen konnten auch ein paar Brocken Englisch. Sie fragten nach
pencil
und
money
. Während Erik stets etwas unbehaglich aus dem Kreis der sie umringenden Kinder ausbrach, genoss Lisa die Aufmerksamkeit. Mit Bewunderung wanderten die kleinen Finger von ihrem Kopf zum Schmuck an Hals und Händen. «Pass bloß auf deinen Ehering auf!», hatte Erik belustigt gerufen. Lisa ärgerte sich darüber ein wenig und überließ aus Trotz dem kleinsten der Mädchen ihr silberfarbenes Armband. Es war zwar bloß billiger Modeschmuck, sorgte aber doch für unbändige Freude. Dann griff sie in die Tasche ihres Jeansrocks und holte ein paar tansanische Schillinge hervor, die sie eigentlich für Postkarten eingesteckt hatte. Erik kommentierte ihr Verhalten nur mit einem amüsierten Kopfschütteln.
    Lisa musste bei dem Gedanken daran lächeln. Der Urlaubszauber, der sich in ihren verspäteten Flitterwochen wie ein unerwartetes Geschenk über Erik und sie gebreitet hatte, hielt noch immer an. Und das, obwohl sie sich nach über sieben Stunden Nachtflug mittlerweile längst wieder über deutschem Boden befanden. Das jedenfalls zeigte der viel zu grell eingestellte Monitor zwei Reihen vor ihnen.
    Erst jetzt begriff Lisa, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Die Stewardessen beeilten sich mit freundlicher Monotonie, die Passagiere zu wecken und mit einer Servierzange kleine, warme Handtücher zur Erfrischung zu reichen. Noch bevor eine der uniformierten Frauen auch Erik aufwecken konnte, deutete Lisa ihr, es nicht zu tun und ihr stattdessen beide Lappen zu überlassen. Lisa fuhr sich mit dem feuchten Tuch über ihr müdes Gesicht, dann beugte sie sich zu dem schlafenden Erik und pustete ihm sanft ins Gesicht.
    «Aufwachen, du Schlafmütze!», flüsterte sie.
    Doch Erik rührte sich nicht.
    Typisch, dachte Lisa und musste schmunzeln bei dem Gedanken, dass ausgerechnet sie, die so einen leichten Schlaf hatte, an einen Mann geraten war, den nicht mal eine Herde vorbeitrampelnder Büffel wecken konnte!
    Um sie herum herrschte bereits regsame Betriebsamkeit. Einige Passagiere vertraten sich die Beine oder machten sich geräuschvoll an den Fächern über ihnen zu schaffen.
    Zaghaft zog Lisa nun an dem Gummiband von Eriks Schlafmaske. Eigentlich war es ja ihre Schlafhilfe. Sie hatte geahnt, dass die Strapazen der langen Reise und das mehrmalige Umsteigen sie vollkommen auslaugen würde. Doch auf diesem letzten Langstreckenflug von Daressalam nach Hamburg hatte Erik die Maske einfach an sich genommen, obwohl er sie im Gegensatz zu ihr gar nicht brauchte. Aber Lisa wollte sich nach diesen drei traumhaften Wochen, in denen sie beide sich glänzend verstanden und darüber hinaus ihr Liebesleben ordentlich aufgefrischt hatten, nicht aus Prinzip über irgendetwas ärgern. Vielmehr plagte sie noch immer das schlechte Gewissen über die chaotische Rückreise. Schließlich war es allein ihre Schusseligkeit gewesen, durch die sie den Flieger von Sansibar aufs afrikanische Festland verpasst hatten und über 300 US -Dollar für Ersatztickets ausgeben mussten.
    Lisa seufzte. Schon die Safari in Tansania und der anschließende Badeurlaub auf Sansibar hatte ein halbes Vermögen gekostet. Geld, für das sie beide lange hatten sparen müssen. Trotzdem bereute Lisa nichts. Auch ihre Entscheidung, noch einmal zum Hotel zurückzukehren, um ihren vergessenen Ring zu holen, war richtig gewesen.
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