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1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel

1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel

Titel: 1479 - Die Totenfrau vom Deichhotel
Autoren: Jason Dark
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nicht, und als kleine Schweißtropfen über sein Gesicht rannen, wischte er sie nicht mal weg.
    Die Stimmen blieben!
    Stimmen, die irgendwoher kamen, nur wusste er nicht, wo sie ihren Ursprung hatten.
    Sie waren einfach da. Sie drangen in seine Ohren. Er konnte nicht unterscheiden, ob sie männlich oder weiblich waren, es war für ihn nur ein wildes Geflüster.
    Wer sprach?
    Claas’ Gesicht verzerrte sich. Er sah aus, als wollte er jeden Augenblick wegrennen, was er jedoch nicht schaffte. Irgendjemand war vorhanden und zwang ihn, auf der Stelle stehen zu bleiben.
    Über eines konnte er sich trotz seiner allmählich hochsteigenden Angst wundern. Je länger er stand, umso deutlicher waren die Stimmen zu verstehen. Obwohl viele auf einmal flüsterten, waren sie dabei, sich auf bestimmte Sätze zu einigen, und die konnten von ihm einfach nicht überhört werden.
    »Wir wollen weg. Wir wollen Ruhe haben. Gebt uns die Ruhe zurück, die Totenruhe…«
    Wahnsinn! Das war der helle Wahnsinn!
    Plötzlich wurde ihm bewusst, was er eigentlich gehört hatte. Er hatte den Eindruck, dass jeder Herzschlag wie von einem Hammer geführt wurde. Das war alles unbegreiflich. Das konnte und durfte nicht wahr sein. Tote können nicht mehr sprechen. Wer tot ist, der kann nicht mehr reden. Unmöglich ist das…
    Claasen war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Dennoch hatte er das Gefühl, zu zittern, aber das war innerlich. Nach außen hin blieb er völlig starr.
    Obwohl er seine Augen bewegte, glotzte er nach vorn. Er konnte einfach nicht anders, und er dachte daran, dass sich die Bilder möglicherweise bewegten. Wenn diese gemalten Totengestalten schon sprechen konnten, war eigentlich nichts unmöglich.
    Nein, sie blieben. Kein Bild bewegte sich. Auch kein Motiv, aber er konnte sich vorstellen, dass ihm die Stimmen aus den Bildern entgegenwehten.
    Und wieso?
    Claas suchte verzweifelt nach einem Ausweg oder einer Erklärung. Es gab sie nicht. Es war so schlimm wie damals bei dem Mönch. Wahrscheinlich kam hier noch etwas Unheimlicheres auf ihn zu.
    Und das in seinem Hotel!
    Nicht mehr lange. Auf keinen Fall wollte er noch länger hier im Flur bleiben und den Stimmen zuhören. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er sich im Erdboden hätte verkriechen können.
    »Bring uns zurück – bring uns zurück – gib uns die Erlösung – es ist so kalt hier…«
    Claas Claasen wurde direkt angesprochen, und das von diesen Figuren auf den Totenbrettern. Hätte er sich in diesem Moment in einem Spiegel angeschaut, er hätte sich kaum selbst wieder erkannt.
    So stark war sein Gesicht durch die Empfindungen gezeichnet.
    Es gab kein Zeitgefühl mehr für ihn. Alles war so verdammt durcheinander. Doch irgendwann brach der Bann. Da war die Starre vorbei, und er konnte sich bewegen.
    Es gab nur einen Ort, wohin er flüchten wollte.
    Das war seine Wohnung!
    Scharf drehte er sich um – und ging keinen Schritt weiter.
    Genau dort, wo der Gang einen Knick machte, stand die Totenfrau!
    ***
    Bisher hatte es Claas Claasen geschafft, nicht zu schreien, was sich nun änderte. Aus seiner Kehle drang ein Schrei, der allerdings schnell verwehte.
    Es war kein Irrtum. Die Totenfrau stand da und wartete auf ihn.
    Sie sah aus wie auf dem Friedhof, nur die Rose hielt sie nicht mehr in der Hand. Und sie ähnelte Sigrid Böhme, auch wenn ihre Haare anders geschnitten waren und sich keine Offenheit mehr in dem Gesicht zeigte. Da war eher eine Betroffenheit vorhanden, und er konnte es kaum glauben, auch eine gewisse Traurigkeit.
    Der Hotelier konnte nicht erklären, was er in diesen Augenblicken fühlte.
    Möglicherweise nichts. Vielleicht auch alles Mögliche. Er war nicht mehr in der Lage, nachzudenken, aber dieser Anblick faszinierte ihn auf eine gewisse Weise, denn eine innere Stimme sagte ihm, dass die Frau erschienen war, weil sie etwas von ihm wollte.
    Aber was…?
    Die große Angst war gewichen. Er stand da und wartete darauf, dass etwas passierte, und tatsächlich wehte ihm nicht nur die bekannte Kälte entgegen, sondern auch die Stimme.
    »Hilf mir – hilf mir – ich brauche Hilfe…«
    Jedes Wort war nicht mehr als ein Hauch, und trotzdem verstand Claas Claasen es. Er wusste nur nicht, was er damit anfangen sollte, die die Situation war einfach nicht zu begreifen.
    »Hilf mir – hilf uns…«
    Es waren die letzten Worte, die er hörte. Danach war nur noch Schweigen. Er sah, wie sich die Totenfrau nach vorn bewegte, ohne dass sie dabei sichtbar den Boden
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