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1151 - Das Babel-Syndrom

Titel: 1151 - Das Babel-Syndrom
Autoren: Unbekannt
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gehen", erklärte Chthon.
    Lassel beschloß, darüber vorläufig nicht nachzudenken.
    „Ich muß überlegen", sagte er. „Irgendwo in dieser Richtung muß die nächste Station liegen." Er deutete nach Südosten. Kleinlaut fügte er hinzu: „Etwa fünf Kilometer entfernt."
    „Das spielt keine Rolle", entgegnete der Unheimliche.
    „Du hast gut reden", maulte Lassel, während er sich mit wunden Füßen in Bewegung setzte. „Ein Schatten kann sich die Füße nicht wundscheuern und wird auch nicht müde."
    Warum kann ich mich nicht einfach weigern weiterzugehen? überlegte er, während er in die nächste Seitenstraße humpelte. Wie wollte ein Schatten mich zwingen, ihm zu gehorchen? Ich bin einfach zu gutmütig. Daran gehe ich mal noch zugrunde.
    Aber er schleppte sich weiter.
    Der Schnee vermischte sich mit Regen, dann wurde er zu einem handfesten Hagelschauer. Windböen heulten durch die Straßen und schoben Wehen aus Schneematsch und Hagelkörnern zusammen. Die Gleiterwracks waren von einem weißen Laken bedeckt.
    „Ein Leichentuch!" murmelte Lassel Domaschek, und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Ich wußte ja, daß die Erde sich mit einem Leichentuch bedeckt."
    Die Windböen verebbten. Allmählich ließ der Hagelschauer nach.
    Lassel wischte sich die Nässe mit dem Ärmel aus dem Gesicht und blieb stehen, um sich ein wenig auszuruhen.
    Er stutzte, als er leisen Gesang zu hören glaubte. Auf alles gefaßt sah er sich um und entdeckte hinter der zerbrochenen Glassitscheibe eines Fensters flackerndes Licht. Von dort kam auch der Gesang.
    „Feuer!" rief Digitalis, der aus der Geborgenheit der Brusttasche heraus seinem Blick gefolgt war. „Terrania brennt nieder!"
    „Quatsch!" widersprach Lassel gerührt. „Das sind brennende Kerzen, und die Melodie ist die eines Weihnachtslieds. Der Text... Nun ja, das war nicht anders zu erwarten. Aber daß Menschen in diesem Chaos Kerzen anzünden und Weihnachtslieder singen! Nein, so etwas!" Er schnäuzte sich trompetend.
    „Ist denn schon Weihnachten?" wollte der Siganese wissen.
    „Nein", antwortete Lassel. „Aber das ist doch egal. Weihnachtslieder werden auch in der Vorweihnachtszeit gesungen."
    Er schlurfte und humpelte weiter.
    Allmählich klarte der Himmel auf. Er nahm eine tiefblaue Färbung an und schien sich höher zu wölben als sonst. Die Sonne hatte ihre Position kaum verändert. Doch sie war nur noch halb so groß wie normal.
    „Es wird noch kälter werden", sagte Lassel betrübt und ließ seinen Blick über den Himmel wandern.
    Seine Augen leuchteten auf, als er fast genau über dem Zentrum Terranias die bleiche, von einem schimmernden Halo umgebene Dreiviertelscheibe des Erdmonds entdeckte.
    „Wenigstens Luna bleibt uns", stellte er mit neu aufkeimender Hoffnung fest. „Die Erde wird ihren Weg ins Ungewisse nicht allein gehen müssen."
    Er sagte es nicht nur aus Sentimentalität, sondern auch deshalb, weil er an NATHAN dachte. Wenn die lunare Inpotronik in Erdnähe blieb, würde sie den Menschen der Erde wirksam helfen können, die Folgen des Chaos zu überwinden.
    Falls das Chaos jemals endete ...
     
    *
     
    Verlassen bot sich die Pneumotrain-Station den Blicken der einsamen Wanderer dar, aber wenigstens funktionierte die Beleuchtung noch.
    Lassel Domaschek musterte die an der Decke klebende Kanzel der Stationsaufsicht, dann starrte er furchtsam auf die von schweren Plastonschürzen verschlossenen Tunnelmündungen.
    „Die Kontrollen oben sind auch für Menschen ausgelegt", erklärte er. „Wenn dort noch etwas funktioniert, kann ich vielleicht herausfinden, wie sich die Tunnels öffnen lassen.
    Aber was machen wir, wenn wir mitten auf einer Strecke sind und ein Train kommt? Ich weiß nicht, ob es Ausweichnischen gibt."
    „Ich habe eine wichtige Nachricht für Reginald Bull und die anderen Hanse-Sprecher", sagte Chthon. „Wenn ich sie rechtzeitig überbringe, kann das schlimmste Unheil vielleicht noch von der Erde abgewendet werden."
    „Mit anderen Worten, der Zweck heiligt das Risiko", sagte Lassel bitter. „Konntest du nicht einem Helden als erstem begegnen anstatt mir?"
    „Ein Held wäre längst gescheitert", erwiderte der Unheimliche.
    Lassel dachte darüber nach, als er die schmale Notleiter zur Kanzel erklomm. Oben zeigten Reihen glühender Leuchtfelder die Betriebsbereitschaft der vollpositronischen Anlage an. Der Psychologe hütete sich, auch nur einen Sensorpunkt davon zu berühren.
    Er probierte statt dessen die für Notfälle
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