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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Autoren: Elias Palm
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Prolog
    Er legte sich freiwillig in den Kofferraum. Der Schlauch vom Auspuff war äußerst sorgfältig verdeckt worden: Einem ausgeklügelten Plan folgend hatte man ein Loch ins Blech gebohrt, um so die Abgase unentdeckt dort hinzuleiten. In seinem Blick lag Angst, aber er versuchte Ruhe zu bewahren. Vorsichtig schob er sein Gepäck hinein und kauerte sich auf der verbleibenden Fläche des Kofferraums zusammen, in dem es immer noch nach Neuwagen roch, woraufhin die Klappe mit einem dumpfen Knall zuschlug. Es wurde nachtschwarz.
    Der Kofferraum war enger, als er ihn sich vorgestellt hatte, und plötzlich erschien ihm der Plan nicht mehr ganz so durchdacht. Der große Rucksack, den er bei sich hatte, zwang ihn dazu, mit den Knien zum Brustkorb hochgezogen in einer Art Embryohaltung zu verharren. Überall spürte er die Begrenzungen des Kofferraums. Als der Motor startete, nahm er unmittelbar den Geruch von Abgasen wahr. Der muffige, nahezu metallische Geschmack ließ ihn intuitiv die Luft anhalten. Ihm war sofort klar, dass er sich nicht umdrehen und noch weniger das Schloss erreichen können würde. Dennoch versuchte er ruhig zu bleiben und rational zu denken, während sich in seinem Inneren eine Panik ausbreitete, die seinen Brustkorb zu sprengen drohte, und obwohl er seine Geistesgegenwart unbedingt brauchte, fühlte er sich zunehmend benebelt. Die Gedanken, die durch sein Bewusstsein schossen, hielten sich nicht länger als für den Bruchteil einer Sekunde, und die Angst drohte ihn zu überwältigen.
    Bei einer unvollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoff, wie in einem mit Benzin betriebenen Motor, bildet sich nicht nur Kohlendioxid, sondern auch dessen bedeutend giftigerer Cousin Kohlenmonoxid. Genau wie Sauerstoff diffundiert Kohlenmonoxid durch die dünnen Wände der Lungenbläschen ins Blut. Dort bindet die giftige Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff das Sauerstoff transportierende Molekül Hämoglobin. Doch das Kohlenmonoxid nimmt nicht nur den Platz des Sauerstoffs ein, sondern bindet es auch so fest, dass kein neuer Sauerstoff aufgenommen werden kann, wenn das Blut die Lungen das nächste Mal passiert. Sobald der Körper den Sauerstoffmangel realisiert, versucht er ihn zu kompensieren, indem er die Atemfrequenz erhöht, aber die nach Luft hungernden Atemzüge sind vergeblich. Wie tief die Atemzüge, die man macht, auch sein mögen, es wird kein weiterer Sauerstoff im Blut gebunden. Das Kohlenmonoxid, das den Platz des Sauerstoffs eingenommen hat, setzt den für den Körper sinnlosen Teufelskreis der Blutzirkulation fort, während man langsam in eine immer tiefer werdende Bewusstlosigkeit driftet. Ohne Sauerstoffzufuhr setzen nach und nach alle Körperfunktionen aus, bis der Tod eintritt.
    Umgeben von Abgasen und Dunkelheit wurde er plötzlich ganz ruhig. Vor seinem inneren Auge sah er Bilder wie aus einem Film vorbeiziehen. Ein lächelndes Gesicht, einen Strand. Bilder – nicht aus seiner Vergangenheit, sondern von der Zukunft. Noch dazu von einer heiteren. Mit den Bildern kehrte schließlich auch die Geistesgegenwart zurück. Er war zurück im Kofferraum und kämpfte mit dem Hunger seines Körpers nach Sauerstoff. Nach einigen weiteren Versuchen, sich umzudrehen, konnte er die Luft nicht länger anhalten. Gierig sog er so viel Luft ein, wie seine Lungen zu fassen vermochten. Dann hämmerte er gegen die Kofferraumklappe. Das Hämmern war anfänglich intensiv, wurde jedoch mit der Zeit immer kraftloser. Der Wagen fuhr aus der Stadt hinaus und weiter aufs Land. Man hörte keinen Hilfeschrei.
    Um sicherzugehen, dass die Abgase den beabsichtigten Effekt erzielten, bog der Fahrer von der Hauptstraße ab und fuhr auf kleineren und dunkleren Straßen weiter. Als die Straßenbeleuchtung schließlich aufhörte und die Straße von hohen Fichten gesäumt wurde, die sich vor dem dunkelblauen Himmel auftürmten, hielt der Wagen an. Mit dem Ohr gegen den schwarzen Lack der Kofferraumklappe gedrückt, hörte der Fahrer lediglich das dumpfe Brummen des Motors im Leerlauf. Als er die Klappe öffnete, schlug ihm eine Wolke von Abgasen entgegen, und er konnte einen Hustenanfall nicht unterdrücken, der durch den Wald hallte. Im dunklen Kofferraum zeichneten sich die Konturen eines leblosen Männerkörpers ab, der dort in Embryohaltung lag.
    Wenn man die Leiche jemals fände, würde man sie zumindest nicht identifizieren können, dachte er und schlug mit voller Kraft mit dem bereits blutigen Hammer auf die untere
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