Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1151 - Das Babel-Syndrom

Titel: 1151 - Das Babel-Syndrom
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
das, was von ihm übriggeblieben war.
    Es war genau auf eine große bronzene Sonnenuhr gestürzt. Deren schräg nach oben gerichteter Stab hatte es aufgespießt und seinen Plastikbauch aufgeschlitzt. Die mechanischen Innereien lagen rings um die Sonnenuhr verstreut. Lassel musterte sie geringschätzig. So primitiv hatte er sich das Luftkissenaggregat nicht vorgestellt.
    Er suchte mit den Augen die Absturzstelle ab. Sie bestand außerhalb des Betonsockels, auf dem die Sonnenuhr verankert war, aus kurzwüchsigem Rasen, der nur zweimal im Jahr gemäht werden mußte. Dennoch hätte ein Siganese zwischen den dicht an dicht stehenden Halmen verschwinden können.
    Als er Digitalis auf diese Weise nicht fand, kniete er nieder und strich mit den Fingern durch das Gras, während er um die Sonnenuhr herumrutschte.
    „Bleib stehen!" fuhr er Chthon an, als er sah, daß er ihm gefolgt war. „Du zertrittst..." Er schüttelte den Kopf. „Oh, wie dumm von mir!"
    Er suchte weiter, obwohl ihm schon bald Knie und Rücken schmerzten. Als er die gesamte Umgebung der Sonnenuhr gründlich abgesucht hatte, ohne den Siganesen zu finden, erhob er sich ächzend.
    Plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen. Er hatte das Gefühl, als drehte sich alles um ihn.
    Lassel taumelte auf die Sonnenuhr zu und hielt sich an der fast leeren Hülle des Bühnenpferdes fest, die schlaff an ihr hing. Mit häßlichem Laut zerriß das mürbe Plastikmaterial. Lassel fiel vornüber und klammerte sich an der bronzenen Weltachse fest.
    Dabei fiel sein Blick auf den See und auf einen Schwarm Lachmöwen, die kreischend dicht über der Wasseroberfläche kreisten und immer wieder einzeln oder zu zweit auf etwas herabstießen, was er wegen der Entfernung nicht erkennen konnte. Er wunderte sich nur darüber, daß die Möwen dabei so viele Federn verloren. Ein ganzer Teppich von ihnen trieb bereits auf dem Wasser.
    Neugierig ging er zum Ufer.
    Er mußte eine ganze Weile angestrengt hinsehen, bis er zwischen den treibenden Federn einige Seerosenblätter erkannte. Auf einem Blatt hüpfte ein kleines Tier herum, vielleicht eine Spitzmaus. Sie schien das Ziel der Möwenangriffe zu sein. Doch warum ließen die Tiere dabei soviel Federn?
    „Was für ein Aufwand wegen einer Maus!" sagte er verächtlich.
    „Es ist Digitalis Aura", sagte Chthon neben ihm.
    Lassel lachte, dann stutzte er und sah hoch angestrengter hin.
    Tatsächlich, das war keine Spitzmaus, sondern der Siganese, der auf dem Seerosenblatt herumhüpfte und dabei den rechten Arm schwang, als führte er ein Schwert.
    „Ich werd' verrückt!" sagte Lassel.
    Ihm wurde klar, daß er dem Siganesen helfen mußte. Zwar schien er die Angriffe der Möwen im letzten Augenblick immer wieder mit seinem Rotationsprojektor zu stoppen, doch irgendwann würden ihn seine Kräfte verlassen und er würde sein Leben im Magen einer Lachmöwe beschließen.
    Lassel Domaschek sah sich nach anderen Menschen um. Jemand würde sich schon finden, der schwimmen konnte und Digitalis herausholte. Doch die Umgebung des Wohnturms war verlassen. Nur hier und da waren Decken über zerschmetterten Körpern ausgebreitet.
    Lassels Blick blieb schließlich an einem Steg haften, an dem vier kleine Ruderboote festgemacht waren. Er schluckte, als er daran dachte, wie leicht so eine Nußschale umschlug. Wenn er ins Wasser fiel, würde ihm niemand helfen können. Dann müßte er zum zweitenmal an diesem Tag des Unheils ertrinken.
    Dennoch eilte er auf den Bootssteg zu.
    „Du bist ein Idiot, Lassel!" murmelte er dabei vor sich hin. „Immer stürzt du dich für andere Leute in Schwierigkeiten. Aber diesmal ist es das letzte Mal. Danach suche ich mir einen sicheren Platz."
    Doch noch während er das sagte wurde ihm bewußt, daß es auf der Erde keinen sicheren Platz mehr gab.
    So vorsichtig wie möglich stieg er in eines der Boote und schloß die Augen, als es wie wild schaukelte. Schließlich gelang es ihm, sich auf eine der beiden Querbretter zu setzen. Er ergriff die Holme der beiden Riemen, tauchte die Blätter mehr schlecht als recht ins Wasser und wollte anfangen zu rudern. Da fiel sein Blick auf das Bugtau, das um einen Pfosten des Bootsstegs geschlungen war.
    In Gedanken sagte er ein paar Verwünschungen auf, dann rutschte er von der Bank und kroch auf Händen und Knien zum Bug, zog sich hoch und löste das Tau. Vorsichtig kroch er wieder zurück, setzte sich zurecht und ruderte los.
    Er kam einigermaßen gut voran, nur wollte das Boot den Kurs absolut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher