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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
Autoren: George R. R. Martin
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Weg ihn in die Gemächer seiner Nichte führen, wo er sich Cersei von Angesicht zu Angesicht stellen musste.
    Ich habe keinen Grund, mich schuldig zu fühlen, sagte sich Ser Kevan. Tywin würde es sicherlich verstehen. Es war seine Tochter, die Schande über unseren Namen gebracht hat, nicht ich. Was ich getan habe, war nur zum Besten des Hauses Lannister.
    Und es war ja auch nicht so, als hätte sein Bruder so etwas nie getan. In den letzten Lebensjahren ihres Vaters, nach dem Tod ihrer Mutter, hatte ihr alter Herr die hübsche Tochter eines Kerzenziehers als Mätresse genommen. Es war nicht ungewöhnlich, dass sich ein verwitweter Lord einen Bettwärmer aus dem einfachen Volk hielt … aber Lord Tytos hatte die Frau bald neben sich in der Halle sitzen lassen und sie mit Geschenken und Ehrungen überhäuft, er hatte sie sogar in Staatsangelegenheiten um Rat gefragt. Innerhalb eines Jahres entließ sie Diener, befahl über die Ritter des Hofes und sprach sogar für Seine Lordschaft, wenn er indisponiert war. Sie gewann solchen Einfluss, dass es hieß, jeder Bittsteller müsse vor ihr knien und laut in ihren Schoß sprechen, wenn er Erfolg haben wolle … denn Tytos Lannisters Ohren befanden sich zwischen den Beinen seiner Dame. Am Ende hatte sie sogar den Schmuck ihrer Mutter
getragen.
    Allerdings nur bis zu dem Tag, an dem das Herz ihres Hohen Vaters in der Brust geplatzt war, als er die steile Treppe zu ihrem Bett hinaufstieg. All die Selbstsüchtigen, die sich ihre Freunde nannten und um ihre Gunst buhlten, ließen sie sofort im Stich, als Tywin ihr die Kleider vom Leib reißen und sie nackt wie eine gemeine Hure durch Lannisport zum Hafen marschieren ließ. Obwohl sich kein Mann an ihr verging, bedeutete dieser Gang dennoch das Ende ihrer Macht. Tywin hatte sich gewiss nie träumen lassen, dass dieses Schicksal eines Tages seiner goldenen Tochter ebenfalls beschieden sein könnte.
    »Es musste sein«, murmelte Ser Kevan, ehe er den letzten Schluck Wein trank. Seine Hohe Heiligkeit musste beschwichtigt werden. In den kommenden Schlachten brauchte Tommen den Glauben hinter sich. Und Cersei … aus dem goldenen Kind war eine eitle, törichte, gierige Frau geworden. Hätte man ihr die Herrschaft überlassen, hätte sie Tommen ebenso verdorben wie seinerzeit Joffrey.
    Draußen nahm der Wind zu und rüttelte an den Fensterläden. Ser Kevan stemmte sich hoch. Es war an der Zeit, sich der Löwin in ihrer Höhle zu stellen. Wir haben ihr die Krallen gezogen. Jaime allerdings … Aber nein, darüber würde er jetzt nicht zu grübeln anfangen.
    Er legte ein altes, abgetragenes Wams an, für den Fall, dass seine Nichte in der Stimmung war, ihm noch einen Becher Wein ins Gesicht zu schütten, doch den Schwertgurt ließ er an der Stuhllehne hängen. In Tommens Gegenwart durften allein die Ritter der Königsgarde Schwerter tragen.
    Ser Boros Blount wartete dem Kindkönig und seiner Mutter auf, als Ser Kevan die königlichen Gemächer betrat. Blount trug eine emaillierte Rüstung, einen weißen Mantel und einen Halbhelm. Er sah nicht gut aus. In letzter Zeit hatte Boros im Gesicht und am Bauch merklich zugenommen, und seine Hautfarbe wirkte nicht gesund. Und er lehnte sich an die Wand, als würde ihn das Stehen anstrengen.
    Das Essen wurde von drei Novizinnen serviert, sauber gescheuerten Mädchen aus gutem Hause zwischen zwölf und sechzehn. In ihrer weichen weißen Wolle wirkte eine unschuldiger und weltabgewandter als die andere, dennoch beharrte der Hohe Septon darauf, dass keines der Mädchen länger als sieben Tage in Diensten der Königin verbrachte, damit Cersei sie nicht verderben konnte. Sie kümmerten sich um die Garderobe der Königin, holten ihr Wasser fürs Bad, schenkten ihr Wein ein und wechselten morgens die Bettwäsche. Eine teilte jede Nacht das Bett der Königin, um sicherzustellen, dass sich dort keine andere Gesellschaft einfand; die anderen beiden schliefen in einer benachbarten Kammer zusammen mit der Septa, die die Aufsicht über sie führte.
    Ein großer Storch von einem Mädchen mit pockennarbigem Gesicht führte ihn zu den königlichen Herrschaften. Cersei erhob sich, als er eintrat, und küsste ihn sanft auf die Wange. »Lieber Onkel, wie freundlich von Euch, mit uns zu Abend zu essen.« Die Königin war so bescheiden gekleidet wie eine gewöhnliche ältere Dame, in ein dunkelbraunes Kleid, das bis zum Hals zugeknöpft war, und einen grünen Mantel, dessen Kapuze ihren geschorenen Schädel bedeckte.
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