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Havoc

Havoc

Titel: Havoc
Autoren: Ravensburger
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Sturmwarnung

    1
    Seth legte den Kopf in den Nacken und blickte besorgt zum Himmel auf, an dem sich dunkle Gewitterwolken zusammenbrauten. Einige der finsteren Wolkengebilde kamen ihm vor wie riesige Klauen, die nach ihm zu greifen schienen. Eine unerklärliche Angst überfiel ihn und schnürte ihm die Kehle zu.
    Begleitet von bedrohlichem Donnergrollen setzte er eilig seinen Weg durch die Straßen und schmalen Gassen der kleinen Stadt Hathern fort, während die Wolken über ihm in rasendem Tempo den Himmel verdunkelte n – wie schwarze Tinte, die sich über ein weißes Blatt Papier ergießt. Feiner Sprühregen setzte ein und ließ die Temperaturen des ohnehin schon kalten Oktobernachmittags schlagartig noch um ein paar Grad sinken. Ein schneidend kalter Wind begann an Seths schwarzen Haaren zu zerren und peitschte sie ihm schmerzhaft ins Gesicht.
    Er hatte die kleine Skulptur unter seiner Jacke fest an den Körper gepresst und rannte, so schnell er konnte, heimwärts. Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es klüger war, die Skulptur zu verstecken. Als lauerten am dunklen Gewitterhimmel wachsame Augen, die jeden seiner Schritte verfolgten.
    Als er endlich zu Hause angekommen war, schüttete es bereits wie aus Kübeln. Seth knallte die Haustür hinter sich zu und ließ sich keuchend mit dem Rücken dagegenfallen. Seine Eltern saßen im Wohnzimmer vor dem Fernsehe r – wie immer.
    »Scheint ein richtig schlimmes Gewitter zu sein da draußen«, hörte er seine Mutter sagen. Sein Vater gab nur ein zustimmendes, aber nicht sonderlich interessiertes Brummen von sich.
    Merkten sie es denn nicht? Spürten sie nicht, wie bedrohlich dieser Gewittersturm war? Dass er sie zu verschlingen drohte? Nein, natürlich nicht. Sie nahmen nur die Dinge wahr, über die im Fernsehen oder in den Zeitungen berichtet wurde.
    Seth lief eilig nach oben in sein Zimmer. Der Wind hatte an Stärke sogar noch zugenommen und der Regen prasselte wütend gegen die Fensterscheiben. Obwohl es noch nicht einmal vier Uhr nachmittags war, schien draußen schon die Nacht anzubrechen, so dunkel war es. Normalerweise ließ Seth sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, aber jetzt hatte er Angst. Entsetzliche Angst.
    Hastig zog er die Vorhänge zu, holte die kleine Skulptur hervor und legte sie aufs Bett.
    Bei ihrem Anblick lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Aus leblosen Augen blickte ihm ein krakenartiges Ungetüm entgegen, das in seinen steinernen Fangarmen eine Art Ei aus einem milchig weißen Mineral hielt. Aber abgesehen von ihrer abstoßenden Hässlichkeit war an der Skulptur eigentlich nichts Auffälliges zu entdecken.
    Ein Blitz zuckte über den Himmel und tauchte das Zimmer trotz der zugezogenen Vorhänge für einen Moment in ein gespenstisches Licht. In der Ferne ertönte laut das markerschütternde Kreischen einer Katze.
    Seth holte tief Luft und hob die Skulptur wieder auf. Sie fühlte sich kühl an. Er hielt sie sich dicht vor die Augen, um das in den Tentakeln des Seeungeheuers steckende Ei näher zu betrachten.
    Da! In seinem Inneren glühte etwas auf. Ein winziges Lichtfädchen, das sich unruhig hin und her wand wie ein dünner Wurm. Die Skulptur schien in seinen Händen langsam wärmer zu werden, und das Leuchten wurde immer intensiver, bis Seth beinahe die Augen zusammenkneifen musste, um nicht geblendet zu werden.
    Dieses Ding fühlte sich lebendig an. Als würde in dem Ei etwas stecken, wa s … lebte.
    »Die sind hinter dir her, stimmt’s?«, flüsterte Seth. »Die sind hinter uns beiden her.«
    2
    Seth nahm seinen Rucksack vom Haken an der Tür, stopfte hastig ein paar Kleidungsstücke hinein und legte auch die Skulptur dazu, die er behutsam in ein T-Shirt gewickelt hatte. Kaum hatte er sie losgelassen, war das Licht im Inneren des Eies erloschen.
    Anschließend holte er seine Geldkassette hervor. Er hatte sie ganz unten in einer Kiste versteckt, in der er seine alten Baseballsachen und ein paar Ersatzteile für sein BMX-Rad aufbewahrte. Hobbys, die er angefangen und bald wieder aufgegeben hatte, weil sie ihm auf Dauer nicht aufregend genug gewesen waren. Genau das war sein großes Problem: Er langweilte sich schnell und war immer auf der Suche nach etwas gewesen, was ihm einen noch größeren Kick verschaffen konnt e – bis er eines Tages Malice entdeckt hatte. Eine ungeahnte, fremde neue Welt im Inneren eines Comichefts.
    Seth schloss die Kassette auf, griff nach den zerknitterten Scheinen, die darinlagen, und stopfte sie
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