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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
Autoren: George R. R. Martin
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den Kopf. Halb fiel, halb setzte sich Ser Kevan auf die Fensterbank. Was … wer … Ein Bolzen war fast bis zur Fiederung in seiner Brust versunken. Nein. Nein, so ist doch mein Bruder gestorben. Blut trat am Schaft hervor. »Pycelle«, murmelte er verwirrt. »Helft mir … ich …«
    Dann sah er ihn. Großmaester Pycelle saß an seinem Tisch, den Kopf auf einen großen Lederband vor sich gebettet. Er schläft, dachte Kevan … bis er blinzelte und die tiefrote klaffende Wunde auf dem fleckigen Schädel des alten Mannes sah, und die Blutlache darunter. Die Seiten des Buches hatten rote Flecken. Um die Kerze herum lagen Stücke von Knochen und Hirn, kleine Inseln in einem See aus geschmolzenem Wachs.
    Er wollte Wachen, dachte Ser Kevan. Ich hätte ihm Wachen schicken sollen. Hatte Cersei vielleicht doch die ganze Zeit recht gehabt? War dies das Werk seines Neffen? »Tyrion?«, rief er. »Wo …?«
    »Weit fort von hier«, sagte eine halb vertraute Stimme.
    Der Mann stand im Schatten bei einem Büchergestell, mollig, mit einem bleichen Gesicht, runden Schultern und einer Armbrust in den gepuderten Händen. An den Füßen trug er Seidenpantoffeln.
    »Varys?«
    Der Eunuch senkte die Armbrust. »Ser Kevan. Vergebt mir, wenn Ihr könnt. Ich hege keinen Groll gegen Euch. Dies ist keine Tat aus Bosheit. Es geschieht allein für das Reich. Für die Kinder.«
    Ich habe Kinder. Ich habe eine Gemahlin. Oh, Dorna. Schmerz durchflutete ihn. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. »Es sind … Es sind hunderte von Lannister-Wachen in der Burg.«
    »Aber glücklicherweise ist keiner von ihnen hier in diesem Raum. Es schmerzt mich sehr, Mylord. Ihr habt es nicht verdient, allein in seiner solch kalten dunklen Nacht zu sterben. Es gibt viele wie Euch, gute Männer, die für eine schlechte Sache eintreten … aber Ihr wart kurz davor, die ganze schöne Arbeit der Königin zunichtezumachen, Highgarden und Casterly Rock wieder zu versöhnen, den Glauben an Euren kleinen König zu binden, die Sieben Königslande unter Tommens Herrschaft zu vereinen. Daher …«
    Eine Windböe wehte herein. Ser Kevan zitterte heftig.
    »Ist Euch kalt, Mylord?«, fragte Varys. »Vergebt mir. Der Großmaester hat sich selbst beschmutzt, als er gestorben ist, und der Gestank war so abscheulich, dass ich schon Angst hatte, ich würde ersticken.«
    Ser Kevan versuchte, sich zu erheben, doch alle Kraft hatte ihn verlassen. Er spürte seine Beine nicht mehr.
    »Ich hielt die Armbrust für angemessen. Ihr habt so viel mit Lord Tywin geteilt, warum nicht auch das? Eure Nichte wird glauben, die Tyrells hätten Euch ermordet, vielleicht gemeinsam mit dem Gnom. Die Tyrells werden sie verdächtigen. Irgendwer wird eine Möglichkeit finden, die Dornischen zu beschuldigen. Zweifel, Zwietracht und Misstrauen werden Eurem Kindkönig den Boden unter den Füßen entziehen, während Aegon seine Banner über Storm’s End hisst und sich die Lords des Reiches um ihn versammeln.«
    »Aegon?« Einen Moment lang verstand er nicht. Dann erinnerte er sich. Ein Säugling, gewickelt in einen purpurroten Mantel, der Stoff mit Blut und Hirn besudelt. »Tot. Er ist tot.«
    »Nein.« Die Stimme des Eunuchen wirkte tiefer. »Er ist hier. Aegon wurde schon auf die Herrschaft vorbereitet, ehe er laufen konnte. Er ist an den Waffen ausgebildet worden, wie es einem Ritter geziemt, aber das war nicht das Ende seiner Erziehung. Er kann lesen und schreiben, er beherrscht mehrere Sprachen, er hat Geschichte und Recht und Poesie studiert. Eine Septa hat ihn in den Mysterien des Glaubens unterwiesen, seit er alt genug war, sie zu verstehen. Er hat unter einfachem Fischervolk gelebt, hat mit seinen eigenen Händen gearbeitet, ist in Flüssen geschwommen, hat Netze geflickt und gelernt, wie er seine eigene Kleidung waschen kann, wenn es sein muss. Er kann fischen und kochen und eine Wunde verbinden, er weiß, was es bedeutet, Hunger zu haben, gejagt zu werden und Angst zu haben. Tommen wurde gelehrt, dass die Königswürde sein Recht ist. Aegon weiß, dass die Königswürde seine Pflicht ist, dass ein König sein Volk an die erste Stelle setzen und für sein Volk leben und herrschen muss.«
    Kevan Lannister versuchte zu schreien … nach seinen Wachen, seiner Gemahlin, seinem Bruder … doch er brachte kein Wort heraus. Blut rann ihm aus dem Mund. Er zitterte heftig.
    »Es tut mir leid.« Varys rang die Hände. »Ihr leidet, ich weiß, und ich stehe hier und schwatze wie ein dummes altes Weib.
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