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0949 - Die geronnene Zeit

0949 - Die geronnene Zeit

Titel: 0949 - Die geronnene Zeit
Autoren: Oliver Fröhlich
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Er war sich seiner Meinung ihr gegenüber nicht sicher. Ihre Schwäche und ihr Verstoß gegen die Regeln hatten letztlich zu all den fürchterlichen Ereignissen geführt. Aber konnte er es ihr verübeln? Immerhin hatte sie nur aus Liebe gehandelt.
    »Ich danke euch für das, was ihr getan habt. Und ich möchte euch dafür belohnen. Ihr seid Auserwählte, also seid ihr berechtigt, die Unsterblichkeit zu empfangen. Dank euch reicht die Kraft der Quelle gerade dafür aus, dass einer von euch davon trinken darf.«
    »Na toll«, stieß Zamorra aus. »Und dafür müssen wir auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen, oder was? Nein danke, da wollte ich schon beim letzten Mal nicht mitspielen.«
    Assara lächelte ein schmerzhaftes Lächeln. »Nein. Diese Zeiten sind vorbei. Ihr müsst euch entscheiden, wer trinken darf. Wenn ihr euch nicht einigen könnt, erlaube ich es keinem.«
    Zamorra hob seine zerstörte Hand und deutete auf sein faltiges Gesicht. »Die Entscheidung fällt leicht. Ich verzichte! Was soll ich in diesem Körper mit der Unsterblichkeit? Was soll die Welt mit einem auf ewig siebzigjährigen Dämonenjäger?«
    Dylan schwieg.
    »Nein, du verstehst nicht«, sagte die Hüterin.
    »Das scheint mir immer so zu gehen, wenn ich mit dir rede.« Der Sarkasmus in Zamorras Stimme war nicht zu überhören.
    »Die Quelle ist nach wie vor ein Ort, für den eure Gesetze der Zeit nicht gelten. Wie ich dir schon einmal erklärt habe oder in Zukunft noch erklären werde: Zeit, wie du sie kennst, ist nichts weiter als eine Truhe voller Augenblicke. Wenn man sie schüttelt, purzelt alles übereinander oder treibt auseinander. Später ist plötzlich früher, immer wird zu nie.«
    »Erspar mir dein kryptisches Gerede. Was willst du mir damit sagen?«
    Sie deutete auf Rhett. »Mithilfe des Erbfolgers kann ich die Truhe so schütteln, dass ich dich in der Zeit zurückführen kann. Oder besser gesagt: deinen Körper. Oder noch besser gesagt: Ich kann dir dein früheres Aussehen zurückgeben.«
    Zamorra glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. War vielleicht doch noch nicht alles vorüber?
    Aber was war mit Nicole? Damals hatte er die Unsterblichkeit nur angenommen, wenn er sie auch seiner Lebens- und Kampfgefährtin mitbringen konnte. In einem ewig jungen Körper zusehen zu müssen, wie der Mensch, den man liebte, alterte und starb, war für ihn nicht infrage gekommen.
    Doch nun hatte Nicole ihn verlassen. Womöglich war auch sie gealtert. Was, wenn sie zurückkehrte und ihn als den alten jungen Zamorra antraf, während ihr Körper das biologische Alter angenommen hatte?
    Ja, aber was, wenn sie nicht zurückkehrte? Wollte er ohne sie überhaupt unsterblich sein?
    »Was ist mit Nicole?«, fragte er.
    »Die Frau, der du damals gegen die Regeln Wasser mitgebracht hattest, nachdem du mich mürbe geredet und…«
    Zamorra winkte ab. »Ja, ja. Genau die. Was ist mir ihr?«
    »Nichts. Sie hat ihre Unsterblichkeit behalten. Die Quelle konnte sie sich nicht zurückholen, weil sie die Frau nicht gefunden hat.«
    Der Professor taumelte. »Wie bitte? Nicht gefunden? Heißt das, sie ist tot?«
    »Natürlich nicht. Wäre sie tot, wäre ihre Unsterblichkeit von selbst zurückgekehrt. Sie ist nur dem Zugriff der Quelle entzogen.«
    Was hatte das zu bedeuten? Steckte sie in Schwierigkeiten? Immerhin hatten sich die Sha'ktanar aus ihrem abgespalteten Teil von Lemuria meiner Dimension nur einen Schritt neben den Schwefelklüften durch die Hölle der Unsterblichen hindurch seine, Dylans und Dunjas Unsterblichkeit holen können. Wo also befand sich Nicole, dass es bei ihr nicht gelang?
    Brauchte sie seine Hilfe?
    Er atmete tief durch.
    Ja, er war bereit. Er würde die Unsterblichkeit schon alleine deshalb neu annehmen, um Nicole zu helfen, falls es nötig war.
    Da fiel sein Blick auf Dylan. Der Schotte starrte zu Boden und sagte nichts.
    Merde!
    Wenn er von der Quelle trank, blieb Dylan diese Gunst verwehrt. Er glaubte nicht, dass er die Hüterin diesmal wieder schwindlig argumentieren konnte, dass sie ihnen beiden einen Schluck gewährte. Außerdem riskierten sie damit die gerade so halbwegs wieder hergestellte Kraft des Lebenswassers. Er konnte von Glück reden, dass nicht auch er damals dem Dunkel den Einbruch ermöglicht hatte, als er Wasser für eine zweite Person, für Nicole, abgeschöpft hatte.
    »Dylan…«, begann er.
    Der Schotte hob den Kopf und blickte Zamorra an. In seinen Augen schimmerten Tränen. »Ist schon…« Er räusperte sich die
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