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0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami
Autoren: Susanne Picard
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Glaswand gelaufen. »Oh, Scheiße«, murmelte sie und hob sofort die Hände. »Schon gut, Fonsy! Ich komme nicht näher ran.« Verzweifelt und zu Tode erschrocken musste sie mit ansehen, dass Alphonsine Daladier sich auf die Fensterbank schwang und sich ins offene Fenster stellte.
    »Wenn du auch nur einen Schritt näher kommst, einen Schritt nur, dann werde ich springen! Keiner mehr hat mein Leben im Griff, außer mir, habt ihr das verstanden? Keiner! Und schon gar kein Totengeist!«
    Wieder drehte sie sich zur nunmehr beinahe dunklen Straße um.
    Nur die zitternden Finger ihrer rechten Hand hielten ihren abgemagerten Körper noch am oberen Rahmen des Fensters im vierten Stock fest.
    ***
    Keiner soll mich je wieder beherrschen. Das werde nur ich tun.
    Ich entscheide. Ich entscheide selbst, was ich tue, wovor ich Angst habe, und wer mir nahe kommen darf.
    Nie wieder soll ER mich besitzen oder sich an mir laben. Nie wieder.
    Seit dem Besuch dieses Dämons vor drei Tagen im Krankenhaus war Alphonsine völlig verzweifelt. Er war so lange bei ihr geblieben wie noch nie. Er war nicht einmal verschwunden, als Alphonsine kurz davor war, aufzugeben und damit begann, um den Tod zu betteln. Er hatte das sogar begründet: Er habe eine Beute, die unendlich viel wichtiger sei als sie. Sie sei nur so etwas wie eine Probe, und sie dürfe sich glücklich schätzen, an dieser großen Aufgabe, die er vor sich hatte, mitzuwirken.
    Für Alphonsine klang das wie bitterer Hohn und dass man sich über ihre Angst, ihr unendliches Leid so lustig machte, machte das alles nur noch schlimmer.
    CHAVACH ließ nie locker, das hatte sie mittlerweile begriffen. Er ließ ihr keine Möglichkeit, zu entkommen oder ihm auszuweichen. Nicht einmal der Tod war ein Ausweg: Wenn sie nachgab, nicht mehr atmete, damit diese unendliche Qual langsam aufhörte, dann ließ er sie ebenfalls los. Aber immer nur so lange, bis sie wieder regelmäßig atmete, wieder den Geschmack des Lebens auf der Zunge hatte und wieder ein Restchen Hoffnung geschöpft hatte. Die ersten beiden Male hatte das funktioniert, aber danach hatte er verstanden, dass sie das nur tat, um ihn loszuwerden. Doch nachdem er das herausgefunden hatte, hatte er vorsichtig versucht, seine Taktik zu ändern. Er kam wieder über sie und hüllte sie in den endlosen Schrecken ein, der für Alphonsine mittlerweile schlimmer war als die Hölle. CHAVACH hatte sich mit seinem Besuch im Krankenhaus endgültig zum Herrn über Leben und Tod gemacht. Ihr Leben und ihren Tod.
    Er hatte ihr nicht das Geringste bisschen Würde gelassen, das wusste Alphonsine und sie schämte sich dafür, ihr letztes Restchen Menschlichkeit im Austausch dafür, dass er sie in Ruhe lasse, abgegeben zu haben. Freiwillig. Sie hatte sich weigern wollen, ihren Peiniger mit Namen anzusprechen, aber selbst das hatte er durchgesetzt. Zuerst hatte sie es nicht tun wollen und sich fast bis zu Tode würgen lassen, bis er sich eine Weile zurückgezogen hatte. Sie hatte nicht nachgeben wollen. Das war bis dahin CHAVACHs längster Besuch geworden, wieder und wieder hatte er ihr gezeigt, wie nah man dem Tod kommen konnte, bis sie schließlich nach über zwölf Stunden der Folter schluchzend und schreiend zusammengebrochen und seinem Wunsch nachgekommen war.
    »Siehst du«, hatte er geflüstert, bevor er gegangen war und sie mit einem Nervenzusammenbruch zurückgelassen hatte, der sie dann letztendlich ins Krankenhaus gebracht hatte. »So wie mit dir werde ich mit meiner eigentlichen Beute verfahren. Und am Ende werde ich sie vernichten, wie ich dich am Ende vernichten werde. Ich werde an dir spüren, wann es Zeit dafür ist, zuzuschlagen. Aber immerhin wirst du wissen, dass du geholfen hast, meine Aufgabe zu vollenden. Das ist dein Zweck und das sollst du nie vergessen!« Wie beim ersten Mal, als sie sich getroffen hatten, war dabei seine Präsenz beinahe zärtlich über sie hinweggestrichen, als streichle er ein wertvolles Spielzeug. Doch Alphonsine hatte diese ›Zärtlichkeit‹ nur noch mehr Angst vor dem Ende eingejagt. Aber vielleicht war auch das Absicht gewesen.
    Als Nanas Freundin Yasmina und ihre Bekannte, diese Julie Deneuve, im Krankenhaus aufgetaucht waren, hatte Alphonsine erst nicht weiter zugehört. Dass Yasmina manchmal das Medium spielte, wusste sie, und sie hatte meist mit den Achseln darüber gezuckt. An Dämonen hatte sie nie geglaubt. Als Yasmina nun vor ihr stand, tippte sich Alphonsine gegen die Stirn. Noch hatte sie sich im
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