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0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami
Autoren: Susanne Picard
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Krankenhaus sicher gefühlt. Bis zum Abend, an dem CHAVACH auch dort aufgetaucht war.
    Doch dann hatte sie nachgedacht. Beide Frauen waren am Tag, nachdem sie sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hatte, wieder aufgetaucht, bei ihr zu Hause. Und eines musste sie diesen beiden Frauen dann wirklich lassen: Während Yasmina, die Alphonsine lose über Nana, ihre Visagistin, kannte, eine warmherzige und tatkräftige Herzlichkeit ausstrahlte, war Julie Deneuve eine ruhige, mit beiden Beinen im Leben stehende Frau. Von beiden Frauen ging eine Ruhe aus, die Fonsy das erste Mal seit Wochen spüren ließ, dass man ihr glaubte, und die wieder so etwas wie Hoffnung weckte. Vielleicht geschah ja ein Wunder.
    Sie begann von CHAVACH zu erzählen, und als beide Frauen ihr glaubten und sogar Hilfe versprachen, war das für Alphonsine Daladier der Silberstreif am Horizont.
    Doch als es in ihrer Wohnung langsam dunkel wurde, sie auf dem Sessel lag und Yasmina mit dem seltsam klagenden Gesang anfing, überfiel Alphonsine wieder dumpfe Angst. Sie dämmerte ein wenig in Halbschlaf und umklammerte dabei den Talisman, den Julie ihr gegeben hatte. Es wurde dunkel, nur Yasminas leiser Gesang erfüllte die Luft. Es war die Zeit, in der CHAVACH kam. Als Yasminas Singen langsam verebbte öffnete Alphonsine ein wenig beunruhigt die Augen. Beim Anblick der Nebelschwaden, die durch ihr Wohnzimmer strichen, erschrak sie bis ins Mark. Ihr letztes bisschen Glauben an einen guten Ausgang der Geschichte verschwand.
    Sie zitterte immer stärker. Sie wollte es unterdrücken und umklammerte den kleinen Talisman, den Julie Deneuve ihr mit den Worten gegeben habe, er schütze vor Dämonen, oder zumindest deren Auswirkung.
    Auf einmal hörte sie Yasminas Ausruf: »Der Samurai! Julie, sieh mal genau hin, das ist der japanische Totengeist!«
    Ein Totengeist! Sie hatte recht gehabt, diesmal würde der Tod kommen! Sie spürte, wie sich Energie in ihr zusammenballte. Wut stieg in ihr hoch und ersetzte die Angst und auf einmal spürte Alphonsine genug Energie in sich, aufzustehen und diesen Totengeist zu konfrontieren. Die Dunkelheit kam Alphonsine immer näher, die Schwaden von Energie verdichteten sich hinten in der Ecke. Fonsy konnte ihre Angst, ihre Wut, ihren Zorn nicht mehr bezwingen.
    »Du willst mich? Du bist ein Teil, ein Diener dieses schrecklichen Wesens, das mich benutzt, ist es nicht so? Aber du bekommst mich nicht! Niemand bekommt mich mehr, niemand!«
    Sie konnte nicht anders, sie schrie ihre Angst hinaus und selbst, als sich der furchterregende Japaner, der endlich dort in der Ecke hinter den Nebelschwaden grob zu erkennen war, nicht von der Stelle rührte, stand für Alphonsine Daladier eines fest: Niemand würde ihr mehr seinen Willen aufzwingen.
    Niemand.
    Sie schüttelte Yasmina ab, die versuchte, sie festzuhalten. Aber niemand würde sie in ihrem Leben je mehr festhalten, sie würde es nicht mehr zulassen, nie mehr!
    Sie floh zum Fenster und öffnete es. Von draußen floss kalte Luft ins Zimmer, die Alphonsine erfrischte und ihre Gedanken wieder klarer werden ließ. Sie sah auf die Straße hinunter, auf der heute Abend das Leben pulsierte. Unten, im Restaurant Ô Beau B'art , war fröhliches Gelächter und Musik zu hören.
    Ja, ihr war klar, was sie tun musste. Niemand würde mehr über Alphonsine Daladier bestimmen.
    Niemand. Nur sie selbst.
    ***
    Yasminas Aufschrei zerstörte die Trance, in die Nicole sich gebracht hatte, um den Shinigami sichtbar werden zu lassen. Für einen Moment war sie verwirrt. Was war da los?
    Dann erfasste sie Yasminas Dilemma mit einem Blick: Fonsy war auf den Fenstersims geklettert, um zu springen!
    »Nein!« Nicole sprang an die Tür und schlug auf den Lichtschalter. Die dekorative Lampe im Stil der Siebziger überflutete das Zimmer mit einem Mal mit grellem Licht, in dem sie selbst blinzeln musste. Alphonsine, die schon auf dem Sims stand, gab einen Schreckenslaut von sich und hielt sich die Hand vor die Augen. Sie schwankte bedrohlich, konnte sich aber am Fensterrahmen festhalten. Yasmina wollte wieder nach vorn stürzen, doch Nicole hielt sie zurück. »Nicht«, wisperte sie. »Sie ist völlig verstört und das zu Recht. Lass mich das machen.«
    Sie ging einen Schritt vor. »Alphonsine? - Fonsy, hören Sie mich?« Sie ließ ihre Stimme besonders freundlich und sanft klingen.
    Das Model hielt sich mit den Fingern der rechten Hand am oberen Fensterrahmen fest und starrte weiter nach unten auf die Straße.
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