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Kalter Tee und heiße Kuesse

Kalter Tee und heiße Kuesse

Titel: Kalter Tee und heiße Kuesse
Autoren: Emma van Harten
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1. KAPITEL
    Nachdenklich schaute Lena den unsäglichen Entwurf an, der auf ihrem Schreibtisch lag: ein fettgefressener Bernhardiner, der traurig vor einer geschlossenen Dose mit Hundefutter saß. Im Hintergrund stand eine Frau mit erhobenem Zeigefinger. Was sollte man denn dazu texten? Lena seufzte, stand auf und wanderte in ihrem Büro auf und ab.
    Es ging um ein neues Diäthundefutter, eine Kampagne, die aus vier Anzeigen bestand. Die Grafik hatte die Fotos geliefert, nun war es Lenas Aufgabe, die Texte zu entwerfen. Eine undankbare Aufgabe. Davon mal ganz abgesehen, dass Lena seit einigen Jahren eine Allergie gegen alle möglichen Tierhaare hatte, mochte sie Hunde nicht besonders. Sie hatte Angst vor ihnen, seitdem sie mal beim Fahrradfahren von einem Rauhaardackel verfolgt und in den Knöchel gebissen wurde. Der blöde Spruch des Besitzers, „Eigentlich will er immer nur spielen“, hatte damals leider nicht viel genützt. In Panik war sie in einen Teich gefahren, aber auch das hatte den Dackel nicht davon abgehalten, ihr zu folgen. Tagelang konnte sie nicht richtig auftreten und wurde von der Angst verfolgt, an Tollwut zu leiden. Erst als sich nach einer Woche immer noch kein Schaum vor ihrem Mund gebildet hatte, war sie ein Stück weit beruhigt gewesen.
    Verflixt! Lena ließ sich in einen der gemütlichen Besuchersessel fallen und runzelte die Stirn. Warum fiel ihr nichts ein? Warum fiel ihr eigentlich nie irgendwas ein? Lag das daran, dass sie eigentlich gar keine Lust auf diesen Job hatte? Was interessiert es mich denn, ob dieser Bernhardiner zu dick ist oder nicht? dachte sie und rollte die Augen. Außerdem – und das war meistens so – bekam immer nur sie solche Aufträge. Immer die Sachen, die sonst keiner machen wollte. Seufzend erhob sich Lena aus dem Sessel und zupfte an ihrem Pullover herum. Es nützte ja nichts, sie musste irgendwann anfangen. Spätestens morgen Nachmittag musste sie in der Konferenz erste Vorschläge parat haben. Sie strich ihr braunes Haar zurück, das in der Sonne ab und an rötlich schimmerte und das sie eigentlich immer hochgesteckt trug. Aber heute hatte sie so lange an den einzelnen Strähnen herumgezupft, dass die Nadeln sich schließlich gelöst hatten und sie jetzt aussah, als hätte sie einen Adlerhorst auf dem Kopf.
    „He, Lena!“ Ohne zu klopfen, stürmte Charlotte in Lenas Büro. Erschrocken fuhr Lena herum. „Du wirst mich irgendwann noch umbringen“, sagte sie und atmete hörbar aus. „Du polterst grundsätzlich hier rein wie ein Pferd. Bist du eigentlich mit dem Kohlewagen durch die Kinderstube geschubbert?“
    Charlotte lachte. „Stell dich nicht so an.“ Mit schnellen Schritten kam sie näher. Vor Lenas Schreibtisch blieb sie stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Rate.“
    „Was soll ich denn nun schon wieder raten?“ Lena kannte Charlottes Spiel nur zu gut. Ungefähr vier Mal pro Woche kam Charlotte zu ihr, um sie etwas erraten zu lassen. Selbstverständlich sagte sie niemals vorher, um was ungefähr es sich handelte, und das machte das Ratespiel relativ kompliziert. Aber Lena mochte Charlotte – sie war offenherzig, ehrlich und grundanständig und eine ihrer liebsten Kolleginnen hier bei Melchior & Partner.
    „Also gut …“, begann Lena und machte ein ernstes Gesicht. „Du bekommst deine Brustvergrößerung nun doch von der Krankenkasse bezahlt?“ Charlotte machte ein leidendes Gesicht und schüttelte den Kopf. Ihre hellblonden Locken flogen hin und her, und ihre dunkelgrauen Augen blitzten. Seit einem Jahr lag sie im Clinch mit ihrer Krankenkasse, die partout nicht ihre plastische OP bezahlen wollte – mit der Begründung, dass eine Körbchengröße von 80 C doch ganz passabel sei. Eine Tatsache, der Lena nur zustimmen konnte. Allerdings war nicht nur Charlottes Oberweite perfekt. Die ganze Charlotte war perfekt. Groß, wohlgeformt, fraulich und an den richtigen Stellen ein wenig runder. „Ich esse, was ich will“, meinte Charlotte immer treuherzig. „Diese Hungerhaken verachte ich. A-Zicken haben doch sowieso keinen Humor.“ Sie sagte so etwas auch gern auf Partys, nahm damit allen dürren Ziegen den Wind aus den Segeln und erregte grundsätzlich die Aufmerksamkeit der männlichen Anwesenden. Charlotte zog die Männer nämlich an wie Honig die Bienen, aber merkte das meist noch nicht mal. Mit unschuldigem Blick ließ sie sich auf Veranstaltungen Schokoladenkuchen mit Sahne schmecken, leckte die Gabel so ab, dass alle Kerle
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