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Kalter Tee und heiße Kuesse

Kalter Tee und heiße Kuesse

Titel: Kalter Tee und heiße Kuesse
Autoren: Emma van Harten
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hatten Sex. Auf dem Behandlungsstuhl.“ Eine Nanosekunde versuchte Lena sich vorzustellen, wie Sex auf einem Zahnarztbehandlungsstuhl wohl gehen mochte, zwang sich jedoch aufzuhören.
    „Wie?“, war alles, was sie daraufhin herausbrachte. Das waren in der Tat Neuigkeiten.
    Charlotte strahlte immer noch. „In der Missionarsstellung. Ganz normal. Und heute Abend habe ich … wieder einen Termin. Lena, du glaubst es nicht. Julius ist so toll! Ein Mann wie aus dem Bilderbuch. Und er hat graue Schläfen. Da fällt mir ein, dass ich ihn gar nicht gefragt habe, wie alt er eigentlich ist. Aber was spielt das denn schon für eine Rolle? Eben. Keine.“
    „Warum hast du noch einen Termin?“ Mittlerweile kaute Lena an ihrem Bleistift herum. „Warum lädt er dich nicht einfach zum Essen ein?“
    „Ach, Lena …“ Charlotte pustete eine blonde Locke aus ihrer Stirn. „Warum wohl? Weil er Sex an außergewöhnlichen Orten gut findet. Das solltest du auch mal probieren.“ Sie wandte sich zum Gehen. An der Tür drehte sie sich noch mal um.
    „Ich finde überhaupt, du müsstest mal wieder Sex haben. Ganz ehrlich. Ich meine es nur lieb. Schau dich doch mal an. Immer trägst du nur graue, dunkelblaue und braune Sachen. Bring doch mal ein bisschen Farbe in dein Leben. Und vergiss endlich diese beiden Vollidioten. Bis später.“ Sie hauchte ein Küsschen in Lenas Richtung und verließ das Büro. Grimmig stand Lena auf und sah an sich herunter. Charlotte hatte ja recht. Ihre dunkelbraune Cordhose und der graue Pullover waren wirklich nicht gerade farbenfroh. Für wen soll ich mich denn zurechtmachen? dachte Lena und öffnete ein Fenster.
    Von draußen drang der Lärm aus der Fußgängerzone hoch. Die Werbeagentur lag auf der Lister Meile, der Haupteinkaufsstraße von Hannover, und hier brodelte von früh bis spät das Leben. In Lenas Inneren sah es nicht ansatzweise so aus wie auf der Lister Meile. Wenn sie ans abendliche Nachhausegehen dachte, bekam sie eine Gänsehaut. Eine leere Wohnung, ein leerer Kühlschrank, ein leeres Bett und leere Schränke. Noch nicht mal mehr einen Fernseher hatte sie. Den hatte Uwe zusammen mit allen anderen, halbwegs wertvollen Gegenständen mitgehen lassen, als er vor drei Monaten sang- und klanglos verschwand. Er hatte sogar Konservendosen mitgenommen. Und Sicherheitsnadeln. Und WC-Reiniger, obwohl der angebrochen war. Und einen Abschiedsbrief hatte er auch hinterlassen. Der war recht kurz: „Hab die Nase voll. Tschüss.“ Lena war damals tagelang wie gelähmt, zuckte bei jedem Geräusch im Treppenhaus auf, in der Hoffnung, ein Schlüssel würde sich im Schloss drehen und Uwe käme zurück, um in seiner gewohnt burschikosen Art zu rufen: „Hey, das war doch nur ein Scherz!“ Uwe, der sich als Künstler sah und der Meinung war, irgendwann würde er mit seinen Gemälden, die eigentlich nur aus Punkten und Strichen bestanden, ganz groß rauskommen. Uwe, der noch nicht mal ein Girokonto hatte, weil ihm Geld nicht wichtig war. Uwe, der sich aber dennoch immer ungefragt Zwanzig- und Hundert-Euro-Scheine aus Lenas Portemonnaie nahm. Uwe, der sie damals im Supermarkt mit den Worten „Hat es eigentlich wehgetan, als Sie vom Himmel gefallen sind?“ angesprochen hatte, ein Spruch, den sie wahnsinnig romantisch fand. Später, als Uwe sie verlassen hatte, erzählte sie Charlotte von diesem Spruch, und die hatte schallend gelacht und gemeint, das sei eine ganz abgedroschene Anmache, so was wie: „Zieh dich aus. Leg dich hin. Ich muss mit dir reden.“ Ein Spruch, den Lena wiederum auch noch nie vorher gehört hatte. Außer dass später noch ein Gerichtsvollzieher kam und Uwes Schulden bei ihr eintreiben wollte, hatte sie nie wieder was von ihm gehört. Wäre Charlotte damals nicht gewesen, die mit ihr Schlaflos in Seattle, Jenseits von Afrika, Doktor Schiwago und Love Story geschaut hatte und mit ihr gemeinsam bergeweise Mousse au chocolat und Toblerone verdrückte, Lena hätte die Tatsache, wieder Single zu sein, niemals verkraftet. Das würde sie Charlotte nie vergessen. Aber natürlich hatte ihre Freundin recht, wenn sie meinte, dass sich was verändern müsse. Aber wie? Wie?
    Lena stand am Fenster und schaute in den blauen Himmel. Sie hatte erst zwei feste Beziehungen gehabt; Uwe und davor Alexander. Beide konnte man nur als Griff ins Klo bezeichnen. Mit Alexander war sie vier Jahre zusammen gewesen, mit Uwe drei. Uwe hatte sie bestohlen, und Alexander … nein, nicht daran denken. Die Erinnerung
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