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Kalter Tee und heiße Kuesse

Kalter Tee und heiße Kuesse

Titel: Kalter Tee und heiße Kuesse
Autoren: Emma van Harten
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fast kollabierten, um dann einen Kirschlolli aus ihrer Handtasche zu holen, den sie genüsslich anfing zu lutschen. Lena hatte es schon oft gewundert, dass es noch keine Toten gab – wegen Kreislaufkollaps.
    „Rate weiter!“ Charlotte hatte schon wieder einen Lolli im Mund. Erwartungsvoll setzte sie sich vor Lena auf den Schreibtisch und beugte sich nach vorn.
    „Du hast gerade erfahren, dass deine Eltern nicht deine richtigen Eltern sind und dass deine richtigen Eltern in Los Angeles wohnen, Dustin und Diandra Hoffman heißen und dich nun gern kennenlernen möchten. Deswegen fliegst du demnächst in Dustins Privatjet nach L.A., wirst dort von Mel Gibson abgeholt, der dich auf der Fahrt zu Daddys Anwesen noch Cameron Diaz und Julia Roberts vorstellen wird, und hast auf dem Rücksitz heißen Sex mit George Clooney, der sich mit seiner Harley Davidson vom Comer See aus verfahren hat. Nach dem Sex stellt er fest, dass er noch nie besseren Sex hatte, und macht dir einen Heiratsantrag, den du natürlich ablehnen wirst, weil du dich interessant machen willst. Hm?“ Lena grinste und legte die Arme hinter ihren Kopf, während sie auf ihrem Drehstuhl herumwippte. Charlottes Hang zu Promis, zu dem sie stand wie zu allem anderen auch, war in der ganzen Agentur bekannt. Einmal hatte Frederik, einer der Art-Direktoren, ihr aus Witz donnerstags die Gala und die Bunte geklaut. Charlotte hatte wochenlang kein Wort mit ihm geredet.
    „Leider nein.“ Resigniert wischte sich Charlotte eine imaginäre Träne aus dem Auge. „Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Du kommst sowieso nicht drauf.“
    Es war in der Tat immer derselbe Ablauf. Irgendwann sagte sie immer, dass Lena sowieso nicht draufkäme.
    „Also, dann raus mit der Sprache. Ich muss heute noch mal weitermachen.“ Lena setze sich auf, nahm einen Bleistift und klopfte damit auf die Schreibtischplatte.
    „Ich war gestern beim Zahnarzt!“, trompetete Charlotte los, als hätte sie soeben erfahren, dass ihr Jahreslos der Süddeutschen Klassenlotterie ihr einen neunstelligen Betrag eingebracht hätte, und strahlte Lena mit blitzenden Augen an.
    „Beim Zahnarzt“, stellte Lena fest. „Und? Hat er dir Drogen geschenkt oder so was Ähnliches?“ Wenn sie, Lena, beim Zahnarzt war, klagte sie noch Tage später darüber, weil ihr mal wieder ohne Umschweife erklärt wurde, dass sie a) ihre Zähne doch bitte mit Zahnseide und Munddusche putzen solle und b) spätestens in zwei Jahren dritte Zähne bräuchte. So ähnlich zumindest.
    „Oh, Lena, du glaubst nicht, wie toll das war“, Charlotte geriet ins Schwärmen. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal einen Orgasmus bekommen würde, während mir Zahnstein entfernt wird.“
    Jetzt war Lena wirklich neugierig. „Du hast beim Zahnsteinentfernen einen Orgasmus bekommen?“ Vorsorglich schaute sie zu ihrer Bürotür, die aber glücklicherweise fest geschlossen war. Nicht auszudenken, was das wieder für ein Gerede geben würde, sollte jemand mitkriegen, was ihre Kollegin gerade preisgab.
    „Nicht wirklich, aber fast“, nun stand Charlotte auf und drehte sich einmal um sich selbst. „Er heißt Julius.“
    „Der Orgasmus hat einen Namen?“
    „Nein, der Zahnarzt. Du musst auch mal richtig zuhören. Er ist neu in der Praxis, erst seit ein paar Wochen ist er da. Ja, Doktor Wegener geht doch bald in den Ruhestand, und da wird er die Praxis nun an Julius Graf übergeben. Doktor Julius Graf. Lena, du glaubst nicht, wie feinfühlig er ist. Diese Hände. Ganz zart und so filigran. Wie er sich über mich gebeugt hat. Dieses Aftershave. Unglaublich. Er war auch ganz nervös, und es war ihm, glaube ich, auch ein wenig peinlich, dass er mir sagen musste, dass ich eine Knirschschiene brauche. Dann musste er eine Plombe entfernen, weil die brüchig war, und dann ist er mit dem Bohrer kurz abgerutscht, und dann hab ich geblutet, aber das war gar nicht so schlimm, denn ihm hat es mindestens genauso wehgetan wie mir. Ach …“ Glückselig drehte sich Charlotte wieder zu Lena um. „Er ist … perfekt!“
    Lena konnte nicht ganz nachvollziehen, wieso Charlotte einen Zahnarzt perfekt fand, der mit dem Bohrer abrutschte, sagte aber nichts dazu. Genauso wenig wie sie glauben konnte, dass der dadurch verursachte Schmerz für beide gleich schlimm war.
    „Und nun?“, wollte sie wissen.
    Charlotte kam wieder etwas näher. In ihrem weißen Leinenkostüm sah sie aus wie Mitte zwanzig, obwohl sie nächsten Monat sechsunddreißig wurde.
    „Wir
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