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Kalter Tee und heiße Kuesse

Kalter Tee und heiße Kuesse

Titel: Kalter Tee und heiße Kuesse
Autoren: Emma van Harten
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Kampagnen verlangt. Und dieser Magnus Reichenbach, der sich hier in der Agentur mal ein wenig umschauen wollte, würde ihr bestimmt keine große Hilfe sein. Was er wohl sonst beruflich machte? Er sah ein wenig aus wie ein aufstrebender Rechtsanwalt; prima, dann könnte sie sich ihre Texte gleich juristisch absichern lassen. Möglicherweise war er aber auch Pathologe und vertrug die formaldehydgeschwängerte Luft nicht mehr. Da sieht man sich gern mal nach was anderem um . Außerdem könnte er sie umbringen und dann behaupten, Fremdverschulden sei ausgeschlossen.
    „Hahaha, so schnell sieht man sich wieder“, versuchte Lena ein Gespräch anzufangen.
    „Hm“, machte Magnus nur. Er schien nicht allzu gern zu sprechen.
    „Also, ich arbeite hier als Texterin. Das heißt, ich texte die Texte.“ Was redete sie da nur schon wieder? Was sollte Magnus denn von ihr denken?
    „Also die Texte, die dann später auf Plakaten oder in Anzeigen zu lesen sind“, hörte sich Lena zu ihrem Entsetzen sagen, während sie sich wünschte, Krankenschwester auf einer Intensivstation zu sein. Da müsste sie nämlich überhaupt nicht sprechen.
    „Mhm“, machte Magnus wieder. Ich werde aus dieser Frau nicht schlau. Sie wirkt wie eine Achtzehnjährige von ihrer Art her, als hätte sie überhaupt keine Lebenserfahrung. Wie damals Natalie, dachte er und runzelte die Stirn. Natalie hatte ihn damals zahlreiche Nerven und noch mehr Geld gekostet. Erst hatte sie ihn mit ihrer naiven Art um den Finger gewickelt, und dann musste sie ganz plötzlich Krankenhausrechnungen für ihren mittellosen Onkel bezahlen. Teure Krankenhausrechnungen. Ohne zu zögern, hatte Magnus ihr damals ungefähr zehntausend Euro in die Hand gedrückt, und auf wundersame Weise musste Natalie auch noch für das Seniorenheim aufkommen. Wieder hatte Magnus ihr noch mal so viel Geld zugesteckt. Und dann kam dieser denkwürdige Tag, an dem Magnus versuchte, Natalie telefonisch zu erreichen, über mehrere Stunden, aber „the person you’ve called is temporarily not available“. Irgendwann später hatte er eine Postkarte von Natalie bekommen, in der sie sich hämisch über ihn lustig machte. Das war’s dann. Es war die dritte Enttäuschung in Bezug auf Frauen, die Magnus erlebt hatte, und so langsam, aber sicher hatte er die Nase gestrichen voll. Er würde sich ganz sicher nicht mehr blenden lassen. Mit der Zeit hatte er sich einen Panzer zugelegt, ließ nichts mehr an sich rankommen und wirkte auf viele Menschen schroff und unnahbar. Das hatte allerdings auch sein Gutes: Niemand traute sich, ihn um Gefälligkeiten oder Geld anzubetteln. Sogar mit seinem Vater hatte er sich zerstritten. „Junge, sieh nach vorn, so wie du jetzt bist, wirst du nie glücklich werden“, hatte der zu ihm gesagt, nur Magnus wollte nichts davon hören. Er verhielt sich dermaßen unhöflich allen Leuten gegenüber, auch Geschäftspartnern seines Vaters, dass der eines Tages meinte, es sei wohl besser, Magnus würde für einige Zeit die Firma verlassen. Die Diskussion endete in einem handfesten Krach, und Magnus verließ türenknallend das Büro und hatte seitdem mit seinem Vater nicht mehr gesprochen. Das war jetzt sechs Wochen her. Er war stur. Würde seine Mutter noch leben, hätte er sich mit ihr aussprechen können. Unglücklicherweise war Agnes Reichenbach vor drei Jahren gestorben. Und so musste Magnus ohne ihren Rat auskommen. Sein Entschluss stand fest: Er würde niemals mehr eine feste Beziehung eingehen.
    Ob diese Lena Sanders wohl verheiratet war oder mit jemandem zusammenlebte? Wie ihre Wohnung wohl aussah? Was sie in ihrer Freizeit wohl machte? So unscheinbar, wie sie wirkte, wohl nicht viel.
    „Hier ist die Kampagne. Ich muss jeweils ungefähr vier Zeilen texten, sehen Sie, hier. Das ist gar nicht so einfach, es soll nämlich gleichzeitig witzig und glaubwürdig sein. Ich selbst habe ziemliche Angst vor Hunden, deswegen fällt mir das wahrscheinlich besonders schwer.“ Lena stand mit Magnus über den Entwürfen. Er sagte immer noch nichts, sondern schob bloß die vier Blätter hin und her. Mit Entsetzen stellte Lena fest, dass die Teeflecken zu trocknen begannen und sich an Herrn Reichenbachs Anzugärmel dunkle Ränder bildeten. Am liebsten wäre sie rasch in eine Drogerie gelaufen, um Fleckensalz zu besorgen.
    „Ich werde mir das mal in Ruhe anschauen.“ Lena erschrak fürchterlich. Außer „Hm“ und „Mhm“ hatte er schließlich seit gut zehn Minuten nichts von sich
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