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Seifenblasen kuesst man nicht

Seifenblasen kuesst man nicht

Titel: Seifenblasen kuesst man nicht
Autoren: Elisabeth Herrmann
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1.
    Erste Sonnenstrahlen tanzten über das Kopfsteinpflaster. Die Luft war noch feucht vom Tau der Nacht und die Vögel sangen ihr Frühkonzert. Ab und zu startete ein Auto. Das war das Einzige, was die Idylle störte. Man hätte meinen können, in einer dieser verschlafenen Vorstädte zu sein und nicht mitten in der Großstadt Berlin.
    Bis der Wagen aus der Einfahrt geprescht kam.
    Er raste, ohne zu halten, über den Bürgersteig und setzte hart auf der Straße auf. Coralie konnte im letzten Moment ihr Rad zurückreißen, doch ihr Anhänger schaffte die schnelle Bewegung nicht mehr – er kippte um. Zweihundertneunzehn Zeitungen fielen in den Rinnstein.
    Â»Vollidiot!«, schrie sie empört.
    Der Wagen war flach wie eine Flunder und hatte dunkel getönte Scheiben. Sie konnte nicht erkennen, wer am Steuer saß. Aber es war wohl kaum eine sorgende Mutter, die so früh am Morgen ihre Kinderschar behütet in den nächsten Hort bringen wollte.
    Â»Das können Sie ruhig noch lauter sagen.«
    Erschrocken fuhr Coralie herum. In der Garageneinfahrt saß ein Mann. Er hatte seinen elektrischen Rollstuhl beinahe geräuschlos die Einfahrt hochfahren lassen und bremste nun kurz vor dem zurückgefahrenen Tor ab. Er war noch nicht sehr alt, Mitte vierzig vielleicht. Wahrscheinlich war er einmal ein kräftiger und sportlicher Typ gewesen, doch das Schicksal, das ihn in dieses Gefährt gezwungen hatte, hatte auch tiefe Falten in sein Gesicht gegraben. Dazu kam derzeit noch ein kaum unterdrückter Ärger.
    Â»Vollidiot«, wiederholte Coralie, aber nicht mehr ganz so laut.
    Auf der Straße röhrte der Motor. Der Fahrer gab Gas, bis die Reifen durchdrehten. Einige Zeitungen flatterten davon. Coralie rannte ihnen nach. Beim Aufheben sah sie dem Wagen nach, der gerade die Kreuzung erreicht hatte. Das straff gefederte Auto kam mit den Pflastersteinen nicht zurecht. Es hoppelte davon wie ein Hase auf der Flucht. Es sah so albern aus, dass Coralie grinsen musste.
    Â»Ist jemand hinter ihm her?«, fragte sie und drehte sich wieder nach dem Mann um.
    Doch der war verschwunden. Gerade glitt das automatische Rolltor zu. Es war wie ein eiserner Theatervorhang, der sich vor einem Bühnenbild schloss. Coralie erkannte noch, dass in der Tiefgarage weitere Autos standen. Daneben erhob sich eine geschwungene Steintreppe, die zu einer geradezu monströsen Villa führte. Dann fiel das Tor mit einem satten Laut ins Schloss.
    Â»Steuerfahndung«, murmelte sie ärgerlich und richtete den Anhänger wieder auf. Während sie die restlichen Zeitungen einsammelte und hoffte, dass ihr keine in den Gulli gefallen war, wünschte sie dem Fahrer alles an den Hals, was einem den Tag verderben konnte. Inklusive Zeitungen austragen im Grunewald.
    Es war halb fünf Uhr morgens und sie hatte noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Während die anderen ihre Route im Schlaf kannten, musste sie sich noch einarbeiten. Das war mühsam, denn die Frau, deren Urlaubsvertretung sie hier übernahm, war krank geworden und hatte sie deshalb nicht einweisen können. Die meisten Anwohner in dieser Gegend waren wohl außerdem der Meinung, Namensschilder und Hausnummern seien unter ihrer Würde.
    Diese Adresse hier, zum Beispiel. Woher sollte man wissen, wer hier wohnte? Intuition? Coralie suchte die geschlossene Einfahrt nach etwas ab, das man für einen Briefkasten halten könnte. Rund um das Anwesen hatten die Besitzer eine zwei Meter hohe Mauer aus Waschbeton gezogen, damit auch bloß niemand einen Blick auf das Haus werfen konnte. Wie albern. Albern und hässlich.
    Schließlich fand sie zwanzig Meter weiter den Zugang zum Grundstück. Ein gläsernes Kameraauge beobachtete misstrauisch jeden, der sich den heiligen Hallen nähern wollte. Und hier entdeckte sie auch eine Klingel auf einem hochglanzpolierten Chromschild. Rumer stand darauf. Sie verglich den Namen mit ihrer Liste und fand ihn. Zwei Zeitungen. Wahrscheinlich saßen sich Herr und Frau Rumer am Frühstückstisch gegenüber und schwiegen sich hinter den aufgeschlagenen Zeitungen an. Oder es hatte jahrelang Streit gegeben, weil er den Sportteil und sie die Nachrichten lesen wollte. Manchmal rettete ein zusätzliches Zeitungsabo Ehen …
    Kein Briefkasten. Wohin jetzt mit den Zeitungen? Über den Zaun werfen? Erst auf den dritten Blick erkannte sie, dass das Chromschild auch die Klappe
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