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0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen
Autoren: Jason Dark
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Nahrung versorgt worden. Auf die dünnen Sandalen verzichtete Naomi. Mit nackten Füßen tappte sie auf die Waschschüssel zu, blieb direkt vor ihr stehen und senkte den Kopf ein wenig. Hier war es heller als in der Umgebung des Bettes, und sie konnte ihr Gesicht auf der Wasserfläche erkennen.
    Naomi spitzte die Lippen und blies gegen das Wasser. Kringel und Wellen entstanden. Das Gesicht zerlief, als wäre es ein Zeichen für den Zustand der jungen Frau.
    So wie die Umrisse ihres Gesichts zerrannen, so zerrann auch ihr eigenes Leben, über das sie nicht mehr selbst bestimmen konnte.
    Obwohl es ihr im Vergleich zu sonst himmlisch ging, fühlte sie sich noch immer als Gefangene.
    Und auch die Angst kehrte zurück.
    Die Angst vor der Gewalt ihrer eigenen Kinder. Wenn es hart auf hart kam, würden sie selbst vor der Mutter nicht haltmachen und sie töten. Naomi war nur froh darüber, daß sie mit dem Tod ihres Geliebten nichts zu tun gehabt hatte, denn das hätten ihre eigenen Kinder mit einem brutalen Mord beantwortet.
    Sie tauchte die Hände in das kühle Wasser. Reines, herrliches Quellwasser, das erst vor kurzem in die Schüssel gekippt worden war. Naomi bückte sich noch tiefer, schaufelte Wasser in ihre Hände und spritzte es sich dann in das noch erhitzte Gesicht. Dabei hatte sie den Eindruck, als würde es zischen, wenn die Tropfen ihre heiße Haut berührten.
    Sie drehte sich wieder um. Mit dem Ärmelstoff trocknete sie ihr Gesicht ab. Dabei schaute sie auch gegen die Tür und dachte daran, daß es den Versuch wert war.
    Die breite Klinke lockte sie an. Naomi drückte sie nach unten und war nicht einmal enttäuscht, daß sich die Tür nicht öffnen ließ.
    Dieses verfluchte Kloster war für sie nach wie vor ein Gefängnis.
    Wieder nahm sie auf dem Bett Platz. Kaum hatte sie es berührt, als ihre Schultern einsanken. Sie fühlte eine unendliche Traurigkeit in sich aufsteigen und kam sich wahnsinnig verlassen vor. Von allen verlassen, von den Menschen, von ihren Gedanken, von sich selbst. Nur mehr eine Hülle saß auf dem Bett und nicht mehr sie selbst. Wie vorhin die Wassertropfen, so rannen jetzt die Tränen an den Wangen entlang. Sie dokumentierten die Hoffnungslosigkeit, die von der jungen Frau Besitz ergriffen hatte. Trotz ihres Zustands hatte sie nicht vergessen, auf die Umgebung zu achten, und Naomi stellte eine Veränderung fest.
    Jemand war an der Tür.
    Dort drehte sich die Klinke nach unten.
    Noch wurde die Tür nicht aufgestoßen. Diese Zeitspanne gab Naomi Gelegenheit darüber nachzudenken, wer sie wohl besuchen würde. Sie fürchtete sich davor, daß es die Zwillinge sein könnten.
    Innerlich zitternd wartete sie ab.
    Die schwere Tür glitt beinahe geräuschlos nach innen. Ein kühler Hauch wehte in den Raum, und mit ihm kam Gitta.
    Naomis Magen zog sich zusammen, als sie die Anführerin der Namenlosen Nonnen sah. Wie alle anderen Frauen auch, so hatte sie an Gitta keine gute Erinnerung. Die Anführerin gehörte zu den gefährlichsten und auch unmenschlichsten Frauen in diesem Kloster. Sie war gnadenlos, und sie befolgte alle Befehle, die sie von irgendwoher bekam.
    Sie trat die Tür mit dem Fuß wieder zu, bevor sie lächelnd auf das Bett zuschritt, wo Naomi saß, sich nicht rührte und ihre Hände in den Schoß gelegt hatte.
    Vor ihr blieb die Frau stehen. Auch jetzt trug sie ihre dunkle Kutte, hatte aber die Kapuze nicht hochgestreift. Ihr Haar, es war schwarz, hatte sie nach hinten gekämmt. Durch die Lücken schimmerte das Weiß der Kopfhaut, und die hohe Stirn sah aus wie bleiches Fett.
    Das Gesicht glich nicht dem einer Hexe, wie man sie oft auf Zeichnungen sah. Diese Frau hatte eher Ähnlichkeit mit einem schwammigen Kloß. Ihr Gesicht war breit und die Augen von einer undefinierbaren Farbe.
    Wer sie näher ansah, mußte sich einfach schütteln, und so erging es auch der Gefangenen. Nur hielt sie sich zurück und preßte ihre Lippen hart zusammen.
    »Geht es dir gut, Naomi?«
    Die Angesprochene hob die Schultern, was Gitta zu einem Lachen veranlaßte. »Natürlich geht es dir gut. Es muß dir einfach gutgehen. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage. Wenn du daran denkst, daß wir dich gepflegt und gehegt haben, und wenn du weiterhin daran denkst, was alles hätte sein können, dann muß es dir einfach gutgehen, meine Kleine. Du bist die Mutter, der Vater ist tot, er wurde vernichtet, jetzt kommt es einzig und allein auf dich an.«
    »Ich will aber nicht.«
    »Ohhh… nicht so schnell. So
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