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0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen
Autoren: Jason Dark
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begreifen. Sie konnte es sich auch nicht vorstellen. Es wollte einfach nicht in ihren Kopf. »Bitte… was soll ich? Ich soll so tun, als wären es meine Kinder?«
    »Das sind sie doch auch.«
    Die Lippen der jungen Frau verzogen sich. »Das mag für dich zwar stimmen, aber nicht für mich. Nein, verflucht, das ist nicht wahr. Ich akzeptiere das nicht. Ich will es nicht akzeptieren. Ich werde es nicht tun, ich werde mich nicht um sie kümmern. Es sind nicht meine Kinder. Ich habe sie nicht akzeptiert.«
    »Tatsächlich nicht?«
    »Neiiinnn!« brüllte Naomi der Frau ins Gesicht. »Nein, verdammt! Begreife das endlich!«
    Gitta blieb ruhig. »Wir werden sehen«, sagte sie.
    »Was werden wir sehen?« Naomi kroch auf dem Bett vor. »Was hast du damit gemeint?«
    Gitta lächelte nur. »Ich bin gespannt, was du gleich sagen wirst, denn da haben zwei Jungen Sehnsucht nach dir.« Sie lachte leise, als sie sich umdrehte und mit federnden Schritten auf die Tür zuging.
    Naomi schluckte. Sie hatte eine Hand um ihren Hals gelegt, als wollte sie sich selbst erwürgen. Die andere hatte sie in das Laken verkrallt. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, was gleich passieren würde, aber Gitta ließ sich Zeit. Sie legte erst eine Hand auf die Klinke, schaute noch einmal zum Bett zurück, dann öffnete sie.
    Wieder schwang die Tür auf.
    Das durch die beiden Fenster an verschiedenen Seiten fallende Licht geriet auch in die Nähe der Tür, so daß diejenigen sehr bald zu sehen waren, die den Raum betraten.
    Naomi stockte der Atem.
    Es waren ihre Kinder.
    Aber wie hatten sie sich verändert!
    ***
    Suko erging es ähnlich wie mir. Auch er konnte sich nicht daran erinnern, von derartig vielen mißtrauischen Blicken beobachtet und kontrolliert worden zu sein wie wir, als wir in den kleinen Ort Trivino einfuhren. Wir hatten uns am Flughafen von Zürich einen Opel Frontera geliehen und waren mit diesem Fahrzeug voll zufrieden.
    Ein Dorf am Ende der Welt. Ein Ort hoch in den Berge, bewacht vom ewigen Eis der Gletscher, die zum Gotthard-Massiv gehörten.
    Kahle Felsen, die manchmal wie düstere Wegweiser aus der dichten Vegetation hervorragten und oft genug dafür sorgten, daß die schmalen Straßen noch enger gemacht wurden.
    Kurven, Steigungen, all das lag hinter uns. Es gab eine Straße, die recht gut ausgebaut worden war. Um unser Ziel zu erreichen, mußten wir jedoch von der breiteren Straße ab. Die Nebenstraße war unbefestigt; kein Problem für den Frontera, obwohl wir ordentlich durchgeschüttelt wurden.
    Suko fuhr. Ich war ein guter Co-Pilot, und so erreichten wir den kleinen Ort, in dem die Menschen auf mich einen irgendwie toten Eindruck machten. Wer uns sah, unterbrach seine Tätigkeit, was immer es auch sein mochte, und starrte uns eben aus diesen leeren Augen an.
    »Als hätten wir die Pest«, murmelte der Abbé vom Rücksitz her.
    »Diese Zeiten sind doch wohl vorbei.«
    »Bist du dir da sicher?«
    »Bitte, John…«
    »Ich weiß es nicht. Dieser Ort scheint mir nicht in diese Welt zu passen.«
    Die Häuser lagen verstreut. Die nur wenig geneigten Dächer waren mit schweren Steinen bedeckt. Kleine Fenster nur, enge und niedrige Türen.
    Der Weg führte mitten durch den Ort. Rechts von uns wuchsen die Häuser am Berg hoch, an der linken Seite klammerten sie sich an den steinigen Hang. Aber wir sahen auch kleine Almen, die zwischen den Bäumen wirkten wie grün bedeckte Plätze.
    Die Bäume standen manchmal sehr dicht. Sie bildeten einen Wall gegen die kalten Winde aus dem Norden, und im Winter würden sie sich auch sicherlich gegen den Schnee anstemmen. Von dem Tessin der Touristen und der Schönen und Reichen war hier oben nichts zu spüren. Hier erlebten wir die Bergwelt im Mittelalter.
    Es gab keine großen Plätze, dafür war einfach nicht der Platz vorhanden, und manche Häuser sowie Schuppen waren durch Stege oder Leitern miteinander verbunden, denn quer durch den Ort flossen mehrere Bäche, deren Wasser kristallklar war.
    Hier oben war die Welt wirklich zu Ende. Suko mußte sein ganzes fahrerisches Können aufwenden, um den Frontera unbeschadet dorthin zu bekommen, wo wir parken wollten.
    Wir hatten uns dazu einen Ort ausgesucht, der so etwas wie ein Mittelpunkt war. Wie gesagt, es war kein freier Platz, aber ein grauer, viereckiger Brunnen, mehr eine Tränke.
    An der Schmalseite der Tränke fanden wir einen Platz für den Wagen. Hinter uns lag ein besonderes Haus deshalb, weil es zur Hälfte aus Holz und zur anderen
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