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0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen
Autoren: Jason Dark
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sogar einen schüchternen Sonnenstrahl, der durch ein hohes Bogenfenster fiel und sich über ihrem Bett in der Düsternis des Raumes verlor.
    Sie sah eine Holztür, die sicherlich abgeschlossen war. Auch ein dunkler Stuhl stand neben ihrem Bett, und neben der Tür zeichneten sich die Umrisse eines Tisches ab, auf dem eine Waschschüssel ihren Platz gefunden hatten. Daneben lagen, sorgfältig gefaltet, zwei Lappen.
    Naomi tastete sich ab. Sie hatte zuvor den leichten Druck an ihrem Kopf gespürt, und sie wußte schon sehr bald, daß man ihr ein Pflaster auf den Hinterkopf gedrückt hatte. Sie erinnerte sich auch daran, wie sie quer durch den Raum geworfen und mit dem Kopf gegen die Wand geprallt war. Da hatte sie sich diese Verletzung zugezogen.
    Tief atmete sie durch.
    Die Decke über ihr sah aus wie ein düsterer Himmel. Trotzdem fühlte sich die junge Frau wohler als in ihrem Verlies, sie kam sich beinahe vor wie im Himmel.
    Jäh aber erfuhr sie eine Änderung der pefühle, als sie sich daran erinnerte, was tatsächlich geschehen war.
    Sie war Mutter.
    Sie hatte zwei Kinder geboren.
    Zwei gefährliche Bestien. Wesen zwischen Menschen und…?
    Als Naomi daran dachte, fing sie an zu zittern. Sie erinnerte sich auch daran, wie sie durchgedreht war, und plötzlich hatte sie wieder das Gefühl, alles hinausschreien zu müssen. Wie ein Tier war sie gehalten worden, dem Wahnsinn nahe.
    Möglicherweise durch den Schock, den sie erlitten hatte. Einen erneuten Schock, begleitet von Schmerzen, Blut und Tränen. Sie hatte ihre eigenen Zwillinge töten wollen, und es hätte ihr nicht einmal leid getan, wie sie sich eingestand.
    Das waren keine Menschen, selbst äußerlich nicht. Man sah ihnen das Böse an, es war bei ihnen an die Oberfläche gedrungen, im Gegensatz zu ihrem Vater.
    Naomis Gedanken rissen ab, als ihr Josephiel in den Sinn kam.
    Sie erinnerte sich wieder daran, wie sie ihn kennengelernt hatte und wie glücklich sie gewesen war, auf einen derartigen Mann zu treffen. Sie, das Mädchen aus dem Dorf, das von einem Märchenprinzen nicht einmal zu träumen gewagt hatte.
    Dann aber war er in ihr Leben getreten, als wäre er buchstäblich vom Himmel gefallen.
    Und wie im Himmel war sie sich auch vorgekommen. Die heiße Liebesnacht am Ufer des Flusses würde sie niemals mehr vergessen – und auch nicht den Horror danach.
    Er war immer in ihrer Nähe gewesen, auch wenn sie ihn nur selten zu Gesicht bekommen hatte, und nur allmählich war ihr klargeworden, auf was und mit wem sie sich eingelassen hatte.
    Trotzdem waren ihre Kinder zur Welt gekommen. Gesehen hatte sie sie nicht, sie waren ihr sofort nach der Geburt weggenommen worden.
    Und auch sie waren wie vom Erdboden verschwunden.
    Ihre Tante und ihr Onkel, bei denen sie gelebt hatte, waren sicherlich traurig gewesen. Möglicherweise hatten sie auch heimlich nach ihr gesucht, sich aber nicht getraut, auch die Namenlosen Nonnen zu fragen, in deren Gefangenschaft Naomi geraten war.
    Diese ungewöhnlichen Schwestern waren für die Menschen aus den einsamen Dörfern nicht nur tabu, sie fürchteten sich auch vor ihnen.
    Kinder von einem Teufel!
    Dieser Gedanke wollte ihr nicht aus dem Kopf. Sie hatte Kinder von einem Teufel empfangen. War es wirklich der Teufel gewesen, von dem auch oft in alten Geschichten berichtet wurden?
    Naomi wollte daran nicht mehr glauben, denn sie hatte gehört, daß Josephiel nicht mehr lebte. Seine und ihre Kinder wollten ihn rächen und diejenigen vernichten, die auch ihn umgebracht hatten.
    Die Saat der Rache war gelegt, sie würde aufgehen, und Naomi spürte den gewaltigen Haß gegen den Vater ihrer Kinder. Sie war sogar bereit, diese Person umzubringen!
    Doch sie wußte ebenfalls, daß sie gegen einen derart Mächtigen nicht ankam. Er hatte ein Erbe hinterlassen, zwei Kinder, ihre Kinder, böse, kleine Monstren.
    Naomi schüttelte sich, als sie daran dachte. Plötzlich konnte sie nicht mehr in ihrem Bett liegenbleiben. Sie empfand es als hart, als ein eisernes Pritschenlager. Mit einem Ruck schleuderte sie die dünne Decke zurück.
    Sogar angezogen hatte man sie. Das weiße Hemd reichte bis zu ihren Knöcheln, und der Saum war mit roter Borde abgesteckt worden. Die gleiche Verziehrung fand sie an den Armen, und auch der Halsausschnitt zeigte dieses Accessoire.
    Sie stand auf.
    Kein Schwindel, keine Übelkeit. Es ging ihr so gut wie lange nicht mehr. Sie fühlte sich auch kräftig, als wäre sie während der langen Phase des Dahinschwebens mit
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