Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
redet keine Mutter.«
    »Ich fühle mich auch nicht so!« zischte sie Gitta ins Gesicht. »Ich bin keine Mutter. Ich will auch keine sein. Ich… ich … hasse es, Mutter zu sein, und ich hasse meine Kinder, diese verfluchte Dämonenbrut.« Sie öffnete weit den Mund. »Ja, es ist ein Fluch. Sie … sie haben keinen normalen Vater. Der Teufel hat mich geschwängert, der Teufel!« Sie brach ab, weil die weiteren Worte in einem Weinkrampf erstickten.
    Gitta war einen Schritt nach hinten gegangen. Sie amüsierte sich.
    Sie lächelte und sagte schließlich: »Es ist nicht der Teufel gewesen, meine Teure.«
    »Dann ein Dämon.«
    »Auch nicht.«
    »Wer dann?«
    »Ein Engel!«
    Naomi glaubte, sich verhört zu haben. Sie mußte einige Male schlucken, bevor sie eine neue Frage stellen konnte. »Was hast du gesagt? Er ist ein Engel?«
    »Ja.«
    »Das glaube ich nicht!« schrie sie. »Engel sehen anders aus. Engel haben Flügel und…«
    Gitta lachte kalt und höhnisch. »Flügel? Glaubst du wirklich, daß Engel Flügel haben? Glaubst du das tatsächlich?«
    »Ja, ich…«
    Gitta beugte sich vor. In ihren Augen lag plötzlich ein matter Glanz. »Kennst du sie denn, meine Teure? Hast du sie schon einmal gesehen, erlebt, gefühlt?«
    »Nein, ich…«
    »Doch, du hast es. Du hast mit Josephiel eine wilde Liebesnacht durchlebt. Ihr seid miteinander verschmolzen. Du hast einen Engel geliebt, meine Teure, einen Engel!« Gitta wollte sie anfassen, aber Naomi war schneller und wich zurück. Blitzschnell hatte sie die Beine angezogen und sich zur Seite gedreht. Mit der Schulter drückte sie sich gegen die kalte Wand und zeigte Gitta das Profil.
    »Du glaubst mir noch immer nicht?«
    »Engel.« Naomi holte tief Luft. »Engel haben keine Hörner. Engel haben Flügel.«
    »Nur wenn es sich die Menschen einbilden.«
    »Gut, gut.« Sie nickte heftig. »Das sehe ich ein. Aber Hörner auf dem Kopf eines Engels, das paßt nicht. Nein, das paßt nicht. So etwas kann nicht hinkommen, das ist der reine Wahnsinn. Ich habe mich in einen Dämon verliebt!«
    Gitta lächelte plötzlich. Dann sprach sie mit ruhiger Stimme weiter. »In einen Dämon, meinst du?« Sie hob die Schultern. »Gut, ich gebe dir recht. Einigen wir uns darauf, daß dein Geliebter ein abtrünniger Engel gewesen ist. Einer, der es in seiner Welt nicht mehr aushielt. Dem es genug war, der genau wissen wollte, wie es woanders aussah und sich deshalb auf den Weg in die Hölle gemacht hat, um es dir bildlich zu beschreiben. Er wollte das eine und auch das andere haben, nun ja, auch er hat sich überschätzt und ist zwischen den Fronten zerrieben worden. Aber mit dir ging er noch eine Verbindung ein und hat ein Erbe hinterlassen. Zwei Kinder«, erklärte sie lächelnd, »zwei Jungen, ein Zwillingspaar. Du hast ihm nicht einmal Namen gegeben, aber es macht nichts, denn sie passen zu uns, den Namenlosen, denn auch wir sind aus unseren Orden verstoßen worden, weil wir uns nicht an die Regeln halten wollten. Wir haben dem Engel eine Heimat gewährt, und wir werden auch seinen Söhnen eine Heimat bieten. Das sind wir ihm einfach schuldig.«
    Naomi hatte zugehört, und sie mußte sich selbst eingestehen, daß sie Gitta jedes Wort glaubte. Inzwischen kannte sie die Anführerin der Namenlosen gut genug, um ihr alles zuzutrauen. Diese Person war in der Lage, ihre kleine Welt zu beherrschen und auf den Kopf zu stellen. Von den Menschen wurden die Nonnen gemieden, man kümmerte sich nicht um sie, man ging einen Bogen um das einsame Bergkloster, und hinter derartigen Mauern konnte eben die Brut gedeihen.
    »Du sagst nichts?«
    Naomi hob die Schultern. Sie wäre am liebsten in die Wand gekrochen oder hätte versucht, sich auf Gitta zu stürzen, um ihr die Augen auszukratzen, aber sie wußte auch, daß es keinen Sinn hatte.
    Die Nonnen waren stärker.
    »Du solltest dankbar sein!«
    Jetzt mußte Naomi sprechen. »Warum?«
    »Wir haben dich befreit.«
    »Wovon?«
    »Vom Wahnsinn«, erklärte Gitta lächelnd. »Der Wahnsinn hielt dich umfangen. Du bist über den Anblick deiner Kinder nicht hinweggekommen. Du hast sie hinter diesen Mauern zur Welt gebracht, aber du warst völlig daneben. Das ist vorbei. Du hast dich ausgetobt, es wurde für dich zu einem heilsamen Schock, und nun wird es weitergehen.«
    »Wie denn?«
    Gitta amüsierte sich. »Warum fragst du das? Du bist hier, um die Pflichten einer Mutter zu übernehmen.«
    Die Worte waren klar ausgesprochen worden, aber Naomi wollte sie nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher