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0804 - Die Frau mit den Totenaugen

0804 - Die Frau mit den Totenaugen

Titel: 0804 - Die Frau mit den Totenaugen
Autoren: Jason Dark
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normal weiterlaufen konnte und dabei zwangsläufig ins Stolpern geriet.
    Etwas fuhr durch ihr Haar. Schrille Schreie tanzten in ihren Ohren. Schnäbel hackten zu. Mit bösartigen Bewegungen, immer wieder dabei pickend, sie überwänden jeden Schutz, und die Frau spürte auf ihrer Kopfhaut jede Attacke.
    Wunden entstanden, Blut quoll hervor, verteilte sich in ihrem Haar als klebrige Masse, und Fiona merkte kaum, dass sie stehen geblieben war und beide Arme in die Höhe gerissen hatte, um die Vögel abzuwehren.
    Sie traf sie mit den Fäusten. Sie drosch gegen Leiber, gegen hackende Schnäbel, sie schlug in das Krächzen hinein und schaffte es auch, einige der Tiere zur Seite zu schleudern. Andere griffen sie weiterhin an. Immer wieder kamen sie durch, auch dann, als Fiona nicht mehr stehen blieb, sondern weitertaumelte und froh darüber war, sich am Holzgeländer einer Treppe festhalten zu können.
    Da musste sie hinunter.
    Hinter ihr jagten die Vögel.
    Die kalte Angst hockte wie ein Alp in ihrem Nacken. Sie drückte ihren Kopf nach unten, und als sie über die Holzstufen hinwegtaumelte, hörte es sich an, als wäre ein Drummer bei der Arbeit, der seine Trommelhaut nicht hart genug gespannt hatte.
    Fiona war auf dem glatten Boden ausgerutscht.
    Sie hörte sich schreien, als sie aufschlug. Das Joggen hatte Fiona gelenkig gemacht, und diesen Vorteil spielte sie auch aus. Sie rollte regelrecht die Treppe hinunter, schützte den Kopf dabei durch ihre angelegten Arme. Die Stufen schienen kein Ende nehmen zu wollen, immer wieder prallte sie auf. Sie konnte nur hoffen, dass der Körper diese Schläge unbeschadet überstand.
    Dann rutschte sie über die letzte Stufe hinweg. Weicher Sand umfing sie, denn erst ein Stück weiter begann der gepflasterte Weg, der in den Ort führte.
    Es waren keine Vögel mehr in Fionas Nähe. Sie hörte noch ihre Schreie, die aber klangen weit entfernt. Wie eine Warnung der Tierwelt an den Menschen, sich nicht mehr am Strand blicken zu lassen.
    Ruhe, Stille, ausruhen, die Erschöpfung überwinden. Das schoss Fiona Finley durch den Kopf. Gleichzeitig wusste sie, dass es ihr unmöglich war, dies in die Tat umzusetzen. Sie konnte nicht länger liegen bleiben, denn sie hatte ein totes Kind entdeckt. Sie musste diesen schaurigen Fund melden, etwas anderes kam für sie nicht in Frage.
    Unter Schmerzen stand sie. Zum Glück war sie nicht verletzt, doch sie humpelte.
    So ging sie weiter. Immer wieder schaute sich die einsame Frau um und wunderte sich dabei über die Leere in diesem Ort. Er war ohne Leben. Es schien, als hätten sich die Bewohner bewusst in ihre Häuser zurückgezogen, weil sie ahnten, dass diese Nacht nicht so ablaufen würde wie alle die Nächte zuvor.
    Alles war anders geworden. Die dunklen Häuser flößten ihr Furcht ein, und selbst die Lampen auf der Hauptstraße wirkten nicht mehr so hell und klar wie sonst.
    Die Schaufensterscheiben der Geschäfte glichen düsteren Graböffnungen, denn kein Fenster war beleuchtet. Die ausgestellten Gegenstände verschwammen hinter der Scheibe wie in einer dicken, dunklen Soße.
    Ihre Pension lag am Ende der Straße, ein kleines Haus mit Rasenfläche, sehr nett, immer gepflegt mit heller Fassade, einem roten Ziegeldach und einem Parkplatz davor, auf dem auch Fionas kleiner Fiat stand. Ein Weg, breit genug auch für die Autos, teilte den Rasen in zwei Hälften.
    Über der Haustür brannte eine Kugellampe, deren Schein Fiona so schrecklich kalt vorkam, als enthielte er das Licht der Sterne.
    Überhaupt war ihr Harrings-on-Sea so fremd geworden, hier würde sie sich nie mehr wohl fühlen können.
    Erschöpft wankte sie die letzten Yards auf die Haustür zu. Sie fühlte sich nicht mehr als Mensch, mehr als eine Maschine, die angeschlagen war. Durch ihren Kopf tanzten Gedanken, der Körper war wie eine angeschlagene Maschine, die nicht mehr richtig in Schwung kommen wollte, aber die innere Erregung hielt sie auf den Beinen.
    Fiona Finley erreichte die Haustür und auch die Klingel. Mit dem Handballen stemmte sie sich dagegen und hoffte, dass die Tür so rasch wie möglich geöffnet werden würde.
    Es verging Zeit. Hinter dem Milchglaseinsatz der Tür wurde es hell, ein Schatten erschien, die Tür öffnete sich. Für einen Moment sah Fiona das Gesicht ihrer Pensionswirtin. Sie sah auch das Erschrecken darin, sie hörte den Schrei der Frau, dann ihren eigenen. Im nächsten Augenblick kippte sie nach vorn.
    »Was ist denn…?«
    Fiona hörte nichts mehr.
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