Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0804 - Die Frau mit den Totenaugen

0804 - Die Frau mit den Totenaugen

Titel: 0804 - Die Frau mit den Totenaugen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
»Umklammerung« zu befreien. Sie hob den Kopf, um wieder gegen die Front des weißen Hauses zu schauen.
    Da sah sie das Licht!
    Im ersten Moment war sie geschockt. Ein gelber Streifen leuchtete hinter einem der Fenster. Es war eine matte Fahne, die nach unten flatterte, wobei sie den Rand nicht mehr erreichte und sich verlor.
    Das Kind atmete tief durch. Es war schon oft allein hier am Strand gewesen und hatte das Haus beobachtet, aber das Licht hinter der Scheibe war ihr noch nicht aufgefallen.
    Susy blieb stehen.
    Zeit verstrich, das Licht blieb. Es flackerte nicht, also stammte es nicht von einer Kerze. Außerdem war es dafür zu hell und zu kalt.
    Jemand musste in dem verlassenen Haus sein. Über ihren Rücken rieselte es kalt. Susy fing an zu frieren. In ihrem Kopf lagen kleine Eisstücke, gleichzeitig schwitzte sie auch, und sie sagte sich, dass sie weglaufen musste.
    Stattdessen blieb sie stehen, denn das Licht war wie ein Magnet.
    Die Wolke lag noch immer über ihrem Kopf. Sie vereinigte sich mit der Dämmerung, die heranschlich wie ein Dieb.
    Niemand war in der Nähe, der ihr einen Rat oder eine Hilfestellung hätte geben können. Susy fühlte sich so schrecklich allein an diesem Strandabschnitt, sie wusste allerdings auch, dass es ihre eigene Schuld war und sie nicht auf die Warnung ihrer Eltern gehört hatte.
    Auf einmal wurde es ganz schlimm.
    Da schimmerte nicht nur das Licht hinter dem einen Fenster, da kam noch etwas hinzu. Aus der Tiefe des Zimmers oder des Hauses drang etwas Rotes nach vorn. Es war ein kaltes Rot, eines, das ihr Furcht einjagte. Es sah aus wie die Farbe überreifer Erdbeeren, und es hatte die Form eines Gesichtes angenommen.
    Lang gestreckt, groß und mit zwei Augen, in denen so schrecklich weiße Löcher leuchteten, als wären sie hineingebohrt worden.
    Grausame und fürchterliche Augenlichter, für die Susy keine Erklärung hatte. Das Gesicht war auch so groß, und sie wartete gespannt ab, was geschehen würde, denn es löste sich von diesem Licht.
    Es kam näher.
    Über den Strand hinweg schwebte es auf das Kind zu.
    Susy wartete. Sie hatte die Arme nach vorn gestreckt, als wollte sie das Gesicht umfangen. Es war eine Frau, sie sah die Haare, die den Kopf wie ein Vorhang umgaben.
    Grelle Schreie erreichten ihre Ohren, als sich die Möwen vom Dach erhoben und durch die Luft flatterten.
    Sie rasten auf das Kind zu.
    Susy Carter spürte den Wind, der in ihr Gesicht fuhr. Sie schloss die Augen, denn sie wollte nicht sehen, wie sich die Vögel auf sie stürzten und mit ihren Schnäbeln zuhackten.
    Es passierte nicht, denn die Tiere jagten über sie hinweg. Wie eine stürmische Wolke, die zusätzlich noch einen Windstoß produzierte, der die Gestalt des Kindes durchschüttelte.
    Der Sand bewegte sich unter ihren Füßen. Susy überkam das Gefühl eines Wechsels. Es war kein Sand mehr, er hatte sich im Wasser oder in einen Sumpf verwandelt, der an ihr zerrte, um sie einfach wegzutreiben. Mit sich zu nehmen in ein gefährliches Reich, wo der Tod und das Verderben lauerten.
    Schreckliche Vorstellungen tanzten durch ihr Gehirn. Alte Märchen und böse Kindergeschichten nahmen Gestalt an. So plastisch hatte sie diese Szenen noch nie erlebt.
    Sie riss die Augen auf.
    Ihr heller Schrei wurde vom Wind gepackt und weit über den Strand hinweggeweht. Susy Carter wusste nicht mehr, was sie noch denken sollte. Sie konnte auch nichts mehr sehen, denn ihr Blickfeld wurde nur von dieser roten Gestalt eingenommen.
    Das Haus hatte sie verlassen, sie war am Strand, sie war bei ihr.
    Und sie berührte sie.
    Um das Kind herum tobten die Schreie der Vögel. Es hörte sich so schlimm und grell an, als würden sie unter einer schrecklichen Folter zu leiden haben.
    Das Gesicht, die Vögel, das furchtbare Rot… vor Susys Augen drehte sich alles in einen Kreisel hinein, der sich für sie in einen tödlichen Strudel verwandelte.
    Das Kind sank in den Sand.
    Reglos blieb es liegen.
    Und die Möwen stiegen in den dunkler werdenden Himmel auf, wo ihre Triumphschreie verwehten…
    ***
    Eigentlich bin ich verrückt, dachte Fiona Finley. Eigentlich ticke ich nicht richtig, denn wer ist schon so blöd, die Abendstunden am Strand zu verbringen und sich dabei noch abzuhetzen? Jogging im Sand bedeutete die doppelte Kraftanstrengung wie auf festem Untergrund.
    Aber sie lief weiter.
    Sie musste weiterlaufen. Fünf Meilen an jedem Abend. Das schaffte sie, und sie würde auch noch mehr schaffen, bevor sie wieder in ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher