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0642 - Voodoo-Man

0642 - Voodoo-Man

Titel: 0642 - Voodoo-Man
Autoren: Claudia Kern
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Kinder oder ruhten sich von der Arbeit in den kleinen Gemüsegärten aus, die rund um das Dorf lagen. Als Frau schickte es sich eben nicht, in eine Kneipe zu gehen. So war es auch ein kleiner Skandal gewesen, als Marie vor vier Jahren ein altes Backsteingebäude gekauft und zur Gaststätte umgebaut hatte. Das Geld dafür hatte sie zusammen mit ihrem Mann Jean gespart, der als Koch auf einem Frachter arbeitete und nur seiten nach Hause kam. Auch jetzt erwartete sie seine Rückkehr frühestens in drei Monaten. Bis dahin würde ihr gemeinsamer Sohn Vincent wieder ein ganzes Stück gewachsen sein. Marie bedauerte es, daß der Junge nur so wenig von seinem Vater hatte, aber dafür verdiente Jean auf dem Schiff in drei Monaten mehr Geld, als die meisten anderen Männer in einem Jahr von den Zuckerrohrfeldem nach Hause brachten. Noch vier oder fünf Jahre auf dem Schiff, und sie würden genug Geld haben, um den Rest ihres Lebens von den Einnahmen der Gaststätte leben zu können. So lange mußten sie eben mit den langen Trennungsphasen zurechtkommen.
    Marie legte den letzten Riegel vor, hängte das »Geschlossen«-Schild ins Fenster und ging zurück zur Theke. Eine Holztür führte zu einem Hinterzimmer, in dem die Männer abends teilweise um Geld Karten spielten. Das war zwar eigentlich illegal, aber Marie ließ sie gewähren, solange die Summen klein genug und die Spiele fair waren. Bis jetzt hatte sie keine schlechten Erfahrungen mit dieser Regel gemacht.
    Im Moment wurde in dem Zimmer allerdings nicht gespielt, sondern geschlafen. Marie machte vorsichtig die Tür auf und warf einen kurzen Blick auf ihren friedlich schlafenden Sohn, der nicht den Eindruck machte, als würde er in der nächsten Stunde aufwachen. Die Zeit würde reichen.
    Marie schloß die Tür wieder, ging hinter die Theke und hob die schwere Holzfalltür an, die in den Boden eingelassen war. Die Gaststätte war eines der wenigen Häuser in Bartes, die unterkellert waren. Das war einer der Gründe für Marie gewesen, gerade dieses Haus zu kaufen. Der Keller war ein natürlicher Kühlschrank, in dem sie die Bier- und Rumfässer lagern konnte, ohne Geld für eine teure Kühlanlage auszugeben.
    Als sie und Jean sich den Keller damals gründlich ansahen, hatten sie jedoch noch etwas anderes entdeckt - einen Geheimgang! Aus den Unterlagen wußte Marie, daß das Haus zu Kolonialzeit ein Zuckerrohrlager gewesen war. Im oberen Stockwerk hatte es eine Wohnung für den Sklavenaufseher gegeben. Irgendwann in der langen Geschichte der Insel hatte einer dieser Männer vermutlich aus Angst vor Sklavenaufständen einen Geheimgang anlegen lassen, der zweihundert Meter weit unter der Erde lang führte und im Urwalddickicht endete. Auf diese Weise hatte er wohl gehofft, entkommen zu können, sollten die geschundenen Sklaven eines Tages vor seiner Tür auftauchen. Ob es etwas genutzt hatte, wußte Marie nicht.
    Sie konnte sich noch erinnern, wie sie und Jean über die Möglichkeiten dieses Geheimgangs gewitzelt hatten. Inzwischen war ihr allerdings das Lachen vergangen.
    Seit Le Roi Sinistre hier war…
    Marie stieg die steile Treppe hinunter und zündete eine Petroleumlampe an, die immer an einem Haken neben der Treppe hing. Irgendwann würde sie auch mal Stromleitungen in den Keller verlegen lassen, aber im Moment hatte sie wichtigere Probleme.
    Sie ging durch den Lagerraum, der voller Fässer, Flaschen und Kartons stand. An einer Wand stapelten sich die Kartons besonders hoch. Außer Marie wußte kaum jemand, daß sie alle leer waren. Sie schob den Stapel mühelos zur Seite, und es kam eine Tür zum Vorschein, die hinter den Kartons verborgen gewesen war. Noch einmal atmete sie tief durch, dann öffnete sie die Tür und trat ein.
    Zwölf Augenpaare starrten ihr erschrocken entgegen. Zwölf Menschen, die wußten, daß sie ihr Leben allein durch ihre Anwesenheit in diesem Raum in Gefahr brachten. Zwölf Dorfbewohner, die sich dem Terror von Le Roi Sinistre nicht mehr länger unterwerfen wollten. Zwölf Helden , dachte Marie stolz.
    Ohne Umschweife kam sie sofort zum Thema.
    »Die Zeit ist reif. Wir greifen an!«
    ***
    Zamorra öffnete die Augen und sah Nicoles Gesicht direkt über sich.
    »Wie fühlst du dich?« fragte sie sanft.
    »Was ist passiert?«
    Nicole zuckte mit den Schultern. »Das wollte ich dich gerade fragen. Ich bin erst vor einer Viertelstunde hier herauf gekommen. Die Tür stand auf, und du lagst bewußtlos auf dem Boden. Das ist alles, was ich
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