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0642 - Voodoo-Man

0642 - Voodoo-Man

Titel: 0642 - Voodoo-Man
Autoren: Claudia Kern
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Zwei Tage zuvor:
    Die Augen des Schwarzen waren völlig weiß, so stark hatten sie sich in ihren Höhlen zurückgedreht. Sein nackter, blutbeschmierter Körper lag zuckend inmitten eines Kreises aus anderen Schwarzen, die rhythmische Laute ausstießen. Zwei von ihnen schlugen eine Trommel, während ein dritter über dem zuckenden Körper stand und ihn immer wieder mit dunklem Hühnerblut aus einer Schale übergoß. Das dazugehörige Huhn lag geköpft außerhalb des Kreises, zusammen mit einer seltsamen Mischung aus hölzernen Werkzeugen, Fellen, Federn und Schalen voller Kräutern. Das Schlagen der Trommeln verstärkte sich und hallte in der großen, nur mit Pechfackeln erhellten Höhle hundertfach wieder. Weißer Schaum stand dem jungen Mann vor dem Mund, während sein Körper immer wilder zuckte. Die Stimmen im Kreis wurden lauter, als wollten sie ihn anfeuern, sich noch stärker in die Trance des Rituals zu steigern. Dann, als der Rhythmus der Trommeln seinen Höhepunkt erreichte und sich aufzulösen drohte, erhob sich ein Schrei aus der Kehle des jungen Schwarzen. Sein Körper bäumte sich ein letztes Mal auf und sank dann in sich zusammen.
    Von einer Sekunde zur anderen war es völlig still in der Höhle.
    Die Männer und Frauen, die den Kreis gebildet hatten, erhoben sich und bildeten eine Gasse, die an einem dunklen Seitenarm der Höhle endete. Einige Minuten lang geschah nichts, dann erklangen Schritte aus der Dunkelheit des Gangs. Wie eine Person sank die kleine Gruppe auf die Knie und neigte die Köpfe. Sie hörten die tiefe, sonore Stimme ihres Meisters, noch bevor sie ihn sahen.
    »Gut gemacht, meine Kinder, ihr habt den Iora heute viel Kraft geschenkt. Sie werden es euch danken.«
    Mit diesen Worten trat Le Roi Sinistre, wie er sich selbst nannte, aus den Schatten hervor. Der Schwarze war groß, beinahe zwei Meter, kräftig - und fast schon furchterregend häßlich. Trotz seiner Größe wirkte sein Körper auf seltsame Weise verwachsen, so als hätte man ihn irgendwann einmal auseinandergebrochen und beim Zusammensetzen einige Teile vergessen. Sein linkes Auge hing etwas herab und wurde fast zur Hälfte durch ein halb geschlossenes Lid bedeckt.
    Man munkelte, die Götter hätten versucht, ihn bei der Geburt zu zerschmettern, als sie seine große Magie erkannten.
    Ihm, der 45 Jahre zuvor unter dem Namen Liberté Dupont als Sohn eines Tagelöhners und eines Dienstmädchens auf Haiti geboren worden war, gefiel diese Legende, und er tat sein Bestes, um sie zu verbreiten. Sie gab ihm Macht, und Macht, das hatte er in den Folterkellern Haitis gelernt, war alles, worauf es ankam…
    Er schüttelte den Gedanken ab. Haiti war weit entfernt. Er hatte sich hier, auf der kleinen Karibik-Insel Saint Lucia, eine neue Heimat geschaffen. Eines Tages würde er über diese Insel herrschen, dessen war er sich sicher. Alle Zeichen sprachen dafür. Auch deshalb hatte er sich den Namen gegeben, den er jetzt trug. Nicht Liberté, Freiheit, sondern Le Roi, den König, sollten sie ihn nennen. Und Sinistre, dunkel, stand nicht für seine Hautfarbe, mit der er sich in nichts vom Rest der Bevölkerung unterschied, sondern für seine Magie, sein schwarzes Voodoo…
    Majestätisch schritt er die kleine Gasse entlang zu dem Körper, der still in der Mitte des Ritualplatzes lag. Roi spürte, daß sich das Leben des Mannes dem Ende zuneigte, aber er sah auch die Lebensenergie, die wie eine zweite Haut den Körper des Todgeweihten umschmiegte. Das Ritual und der Trank aus Drogen, den man ihm vorher verabreicht hatte, brachte die Energie aus seinem Körper hervor. Jetzt brauchte Roi sich nur noch zu bedienen.
    Und das tat er auch. Er kniete neben dem sterbenden Körper nieder und legte seine Hand auf die Stirn des Mannes. Dann öffnete er seinen Geist.
    Die Energie durchfuhr ihn wie ein Stromstoß! Unwillkürlich stöhnte er auf, als die neue Lebenskraft ihn durchströmte. Durch sie bekam er seine Kraft. Durch sie bekam er seine Magie. Durch sie lebte er!
    Seine Anhänger bekamen von all dem nichts mit. Sie glaubten, daß er die Energie an di elora, die Schutzheiligen des Voodoo, weiterleiten würde. Daß er sie in sich behielt, ahnten sie nicht. Selbst Fagan, seine rechte Hand, hatte nicht die leiseste Ahnung, wem er mit diesem Ritual wirklich diente. Und das war auch gut so…
    Der Strom ebbte ab. Ruhig betrachtete der dunkle König sein Opfer, dessen Leben er genommen hatte. Der junge Mann, ein Bauer, der Le Roi Sinistre vor einigen
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