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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II
Autoren: Karl May
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zurücklegen, anstatt hier noch ein Nachtlager zu machen?“
    Winnetou, der sonst so Schweigsame, antwortete:
    „Zu Old Firehand dürfen keine Schurken.“
    „Schurken? Wie meint das der Häuptling der Apachen?“
    „Ich meine, daß du einer bist.“
    „Ich? Seit wann ist Winnetou so ungerecht und undankbar, seinen Lebensretter zu beschimpfen?“
    „Lebensretter? Hast du wirklich geglaubt, Old Shatterhand und mich zu täuschen? Wir wissen alles, alles: Santer ist Burton, der Pedlar, und du bist sein Spion. Du hast ihnen während des ganzen Rittes Zeichen hinterlassen, damit sie uns und Old Firehands Versteck finden sollen. Du willst uns an Santer ausliefern und sagst, daß du unser Lebensretter seist. Wir haben dich beobachtet, ohne daß du es ahntest; nun aber ist unsere und auch deine Zeit gekommen; Santer mahnte uns, mit dir quitt zu werden; gut, wir rechnen mit dir ab!“
    Er streckte die Hand nach Rollins aus. Dieser begriff die Situation schnell, wich zurück und schwang sich blitzschnell in den Sattel, um zu fliehen; ebenso schnell hatte ich sein Pferd beim Zügel, und noch viel, viel schneller schwang sich Winnetou hinter ihm auf, um ihn beim Genick zu nehmen. Rollins sah in mir, weil ich sein Pferd hielt, den gefährlicheren Feind, zog seine Doppelpistole hervor, richtete sie auf mich und drückte ab. Ich bückte mich nieder und zugleich griff Winnetou nach der Waffe; die beiden Schüsse gingen los, doch ohne mich zu treffen; einen Augenblick später flog Rollins, von Winnetou herabgeschleudert, vom Pferd; noch eine halbe Minute, und er war entwaffnet, gebunden und geknebelt. Wir befestigten ihn mit den Riemen, mit denen wir gefesselt gewesen waren, einstweilen an einen Baum und banden sein Pferd in der Nähe an. Später, nach der Überwältigung Santers, wollten wir ihn hier abholen. Dann stiegen wir wieder auf und ritten eine Strecke zurück, nicht auf unserer Spur, sondern parallel mit derselben, bis wir ein vorspringendes Gebüsch erreichten, an dessen anderer Seite unsere Fährte vorüberführte und wo Santer also vorbei mußte. In dieses Gesträuch führten wir unsere Pferde und setzten uns nieder, um auf die zu warten, die es auf uns abgesehen hatten.
    Sie mußten aus Westen kommen; nach dorthin streckte sich eine kleine, offene Prärie, so daß wir Santer also sehen konnten, ehe er unsern Hinterhalt erreichte. Nach unserer Berechnung konnte er nicht sehr weit hinter uns sein. Es war noch anderthalb Stunden Tag, und bis dahin, wahrscheinlich aber noch viel eher, mußte er uns eingeholt haben.
    Wir saßen still nebeneinander, ohne ein Wort zu sprechen. Wie wir uns kannten und verstanden, war es nicht nötig, uns zu besprechen, in welcher Weise der Überfall auszuführen sei. Wir hatten unsere Lassos losgeschnallt; Santer und die drei Wartons waren uns sicher.
    Aber es verging eine Viertelstunde, eine zweite und eine dritte, ohne daß unsere Erwartung sich erfüllte. Beinahe war die volle Stunde vorüber, da bemerkte ich drüben, auf der Südseite der erwähnten kleinen Prärie, einen sich sehr schnell vorwärts bewegenden Gegenstand, und zu gleicher Zeit sagte Winnetou, indem er nach derselben Gegend deutete:
    „Uff! Ein Reiter dort drüben!“
    „Allerdings ein Reiter. Das ist sonderbar!“
    „Uff, uff! Er reitet Galopp, nach der Gegend zu, aus welcher Santer kommen muß. Kann mein Bruder die Farbe des Pferdes erkennen?“
    „Es scheint ein Brauner zu sein.“
    „Ja, es ist ein Brauner, und braun war ja Rollins' Pferd.“
    „Rollins? Unmöglich! Wie könnte der losgekommen sein?“
    Winnetous Augen blitzten; sein Atem ging schneller, und die leichte Bronze seines Gesichtes färbte sich dunkler; doch bezwang er sich und sagte ruhig:
    „Noch eine Viertelstunde warten.“
    Diese Zeit verging; der Reiter war längst verschwunden, aber Santer kam nicht. Da forderte mich der Apache auf:
    „Mein Bruder mag schnell zu Rollins reiten und mir Nachricht von ihm bringen!“
    „Aber wenn die vier Kerls inzwischen kommen!“
    „So überwindet Winnetou sie allein.“
    Ich zog mein Pferd aus dem Gebüsch und ritt zurück. Als ich nach zehn Minuten an die Stelle kam, wo wir Rollins an- und festgebunden hatten, war er fort. Und sein Pferd auch. Ich brauchte weitere fünf Minuten, um die Spuren, welche ich neu vorfand, genau zu untersuchen, und kehrte dann zu Winnetou zurück. Er fuhr wie eine Spannfeder auf, als ich ihm sagte, daß Rollins fort sei.
    „Wohin?“ fragte er.
    „Santer entgegen, um ihn zu
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