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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II
Autoren: Karl May
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erzählte, was wir erlebt hatten. Santer gefunden und doch wieder entkommen! Das war ein Ereignis, wie es gar kein bedeutenderes geben konnte. Der kleine Sam war außer sich; er gab sich alle möglichen ehrenrührigen Namen; er fuhr und wühlte sich mit beiden Händen in seinem Bartwald herum, doch ohne Trost zu finden; er riß sich die Perücke vom Kopf und quetschte sie in die verschiedensten unmöglichen Gestalten, wurde aber auch dadurch nicht beruhigt; da warf er sie zornig zu Boden und rief aus:
    „Winnetou hat recht, vollständig recht: ich bin der größte Dummkopf, das albernste Greenhorn, das es geben kann, und werde bis an das Ende meiner Tage so dumm bleiben.“
    „Wie konnte es nur geschehen, daß dieser Rollins losgekommen ist, lieber Sam?“ fragte ich ihn.
    „Eben nur durch diese meine Dummheit. Ich hörte zwei Schüsse fallen und ritt der Gegend zu, wo sie ertönten. Dort traf ich einen an einen Baum gebundenen Menschen und ein daneben angehängtes Pferd, wenn ich mich nicht irre. Ich fragte ihn natürlich, wie er in diese Lage gekommen sei, und er gab sich für den Pedlar aus, der Old Firehand aufsuchen wolle; er sei von Indianern überfallen und hier angefesselt worden, sagte er.“
    „Hm! Ein Blick auf die Spuren mußte doch zeigen, daß von Indianern keine Rede war!“
    „Ist richtig; aber ich hatte meinen schwachen Tag, und da machte ich ihn los. Ich wollte ihn hierherbringen; er aber sprang auf sein Pferd und jagte in ganz entgegengesetzter Richtung davon. Es wurde mir unheimlich, zumal der Indsmen wegen, von denen er gesprochen hatte, und so hielt ich es für das beste, schleunigst hierherzureiten und zur Vorsicht zu mahnen, wenn ich mich nicht irre. Ich möchte mir vor Ärger alle Haare einzeln ausreißen, aber auf dem Kopf hab ich keine, und daß ich mir meine Perücke damit verderbe und schimpfiere, das macht die Sache auch nicht anders. Aber morgen mit dem frühesten werde ich die Fährte dieser Kerls aufsuchen und nicht eher von ihr lassen, als bis ich sie alle gefangen und ausgelöscht habe!“
    „Mein Bruder Sam wird das nicht tun“, ließ sich Winnetou hören, welcher wieder in die Nähe gekommen war. „Der Häuptling der Apachen wird dem Mörder allein folgen; seine weißen Brüder müssen alle hierbleiben, denn es ist möglich, das Santer doch noch nach der ‚Festung‘ sucht, um sie auszurauben; da sind kluge und tapfere Männer zur Verteidigung nötig.“
    Später, als man sich über das Ereignis einstweilen beruhigt hatte und schlafen ging, suchte ich nach Winnetou. Sein Pferd weidete am Wasser, und er hatte sich in der Nähe in das Gras gestreckt. Als er mich kommen sah, stand er auf, ergriff meine Hand und sagte:
    „Winnetou weiß, was sein lieber Bruder Scharlieh zu ihm sagen will; du möchtest mit mir fort, um Santer zu fangen?“
    „Ja.“
    „Das darfst du nicht. Die Schwäche Old Firehands hat sich gesteigert; sein Sohn ist noch ein Kind; Sam Hawkens wird alt, wie du heut gesehen hast, und die Soldaten aus dem Fort müssen als Fremdlinge betrachtet werden. Old Firehand braucht dich nötiger als ich. Ich jage Santer allein und bedarf dazu keiner Hilfe. Wie aber, wenn er, während ich nach ihm suche, Gesindel an sich zieht und hier einbricht? Beweise mir dadurch deine Liebe, daß du Old Firehand beschützest! Willst du diesen Wunsch deines Bruders Winnetou erfüllen?“
    Es wurde mir schwer, in die Trennung von ihm zu willigen, doch drang er so lange in mich, bis ich es tat; er hatte recht: Old Firehand bedurfte meiner nötiger als er. Aber ein Stück begleiten mußte ich ihn. Noch schien der Morgenstern hell, so ritten wir miteinander hinaus in den Wald, und grad als es tagte, hielten wir an der Stelle, wo wir von der neuen Fährte Santers umgekehrt waren. Für das scharfe Auge des Apachen war sie noch zu erkennen.
    „Hier scheiden wir“, sagte er, indem er sich auf seinem Pferd zu mir herüberbeugte und den Arm um mich schlang, „der große Geist gebietet, daß wir uns jetzt trennen; er wird uns zur rechten Zeit wieder zusammenführen, denn Old Shatterhand und Winnetou können nicht geschieden sein. Mich treibt die Feindschaft fort; dich hält die Freundschaft hier; die Liebe wird mich wieder mit dir vereinigen. Howgh!“
    Ein Kuß für mich, ein lauter, gellender Zuruf an sein Pferd, und er jagte davon, daß sein langes, herrliches Haar wie eine Mähne hinter ihm herwehte. Ich blickte ihm nach, bis er verschwand. Wirst du den Feind erjagen? Wann sehe ich dich
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