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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II
Autoren: Karl May
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den Kopf.“
    „Sehr schön! Das ist zwar sehr gefühlvoll, aber nicht sehr klug von Euch.“
    „Wieso?“
    „Wir können, um einen schnellen, leichten Tod zu finden, Euch irgendeinen Ort beschreiben, der aber gar nicht der richtige ist.“
    „Da haltet Ihr mich für unvorsichtiger, als ich bin; ich weiß es schon so anzufassen, daß ich Beweise von Euch erhalte. Vorher will ich wissen, ob Ihr geneigt sein wollt, mir den Ort zu verraten.“
    „Verraten, das ist das richtige Wort. Ihr werdet aber wissen, daß Old Shatterhand kein Verräter ist. Ich sehe, daß Winnetou Euch auch nicht zu Willen gewesen ist; vielleicht hat er Euch nicht eine einzige Antwort gegeben, denn er ist viel zu stolz, mit solchen Halunken wie Ihr seid, zu reden. Ich aber habe mit Euch gesprochen, weil ich dabei eine gewisse Absicht verfolgte.“
    „Absicht? Welche?“
    Er blickte mir bei dieser Frage mit großer Spannung in das Gesicht.
    „Das braucht Ihr nicht zu wissen; später werdet Ihr es ohne mich erfahren.“
    Er hatte jetzt verhältnismäßig höflicher gesprochen und mich auch nicht mehr du, sondern Ihr genannt; nun fuhr er zornig auf:
    „Du willst dich also auch weigern?“
    „Ja.“
    „Nichts sagen?“
    „Kein Wort.“
    „So schließen wir dich krumm wie Winnetou!“
    „Tut es.“
    „Und martern euch zu Tode.“
    „Das wird Euch keinen Nutzen bringen.“
    „Meinst du? Ich sage dir, daß wir das Versteck auf alle Fälle finden werden!“
    „Höchstens durch einen blinden Zufall, aber dann zu spät; denn wenn wir nicht zur bestimmten Zeit zurückkehren, schöpft Old Firehand Verdacht und räumt das Versteck aus. In dieser Weise haben wir es mit ihm besprochen.“
    Er blickte finster und nachdenklich vor sich nieder und spielte dabei mit seinem Messer, doch bedeutete diese Beschäftigung seiner Hände keine Gefahr für mich. Ich durchschaute ihn und seinen Doppelplan. Die erste Hälfte desselben war mißlungen; nun mußte er zur zweiten Hälfte desselben schreiten. Er gab sich Mühe, seine Verlegenheit zu verbergen, aber dies gelang ihm nicht ganz so, wie er es wünschte.
    Die Sache lag so, daß er es auf unser Leben, aber auch auf die Reichtümer Old Firehands abgesehen hatte; die letzteren standen ihm höher als sein Haß gegen uns; um sie zu erlangen, war er jedenfalls bereit, uns laufenzulassen, falls es nicht anders ging. Darum war es keineswegs das Gefühl der Sorge oder gar der Angst, mit dem ich nun seinen weiteren Entschließungen entgegensah. Da endlich erhob sich sein Gesicht wieder und fragte:
    „Du verrätst mir also nichts?“
    „Nein.“
    „Und wenn es euch sofort das Leben kostet?“
    „Erst recht nicht, denn ein schneller Tod ist ja weit besser als der qualvolle, der uns eigentlich erwarten soll.“
    „Well! Ich werde dich zwingen. Wollen doch sehen, ob deine Glieder ebenso gefühllos sind wie diejenigen des Apachen.“
    Er gab den drei anderen einen Wink; sie standen auf, faßten mich an und trugen mich dorthin, wo Winnetou lag. Dabei konnte ich für kurze Zeit bequem nach der Stelle sehen, an welcher wir gestern abend seine Augen erblickt hatten. Meine Ahnung war richtig: Dort lag ein Mensch versteckt. Um zu sehen, was mit mir geschah, schob er seinen Kopf ein Stück durch das Gezweig, und ich glaubte, das Gesicht Rollins' zu erkennen.
    Um es kurz zu machen, will ich nur sagen, daß ich auch krumm geschlossen wurde. So lag ich drei volle Stunden neben Winnetou, ohne daß wir ein leises Wort miteinander wechselten und unsern Peinigern einen Atemzug hören oder eine schmerzliche Miene sehen ließen. Von Viertelstunde zu Viertelstunde kam Santer und fragte, ob wir gestehen wollten; er bekam aber keine Antwort. Es galt, wer länger Geduld hatte, er oder wir. Ich wußte, daß Winnetou die Sachlage ebenso kannte und durchschaute wie ich.
    Da, gegen Mittag, als Santer wieder einmal vergeblich gefragt hatte, setzte er sich zu seinen drei Gefährten und verhandelte leise mit ihnen. Nach kurzer #Unterhaltung meinte er laut, so daß wir es hörten:
    „Ich glaube auch, daß er sich noch in der Nähe versteckt hält, weil es ihm nicht gelungen ist, sein Pferd mit fortzunehmen. Durchsucht die Gegend doch einmal genau! Ich bleibe hier, um die Gefangenen zu bewachen.“
    Er meinte Rollins. Daß er dies so laut sagte, ließ ihn durchschauen. Wenn man wirklich einen in der Nähe Versteckten fangen will, sagt man dies nicht so, daß er es hören kann oder gar hören muß. Die drei griffen zu ihren Waffen und
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