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Herzen in süßer Gefahr (German Edition)

Herzen in süßer Gefahr (German Edition)

Titel: Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
Autoren: Margaret McPhee
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1. KAPITEL
        
    Portugal, 31. Oktober 1810
    Das Kloster, in dem ihr Vater und seine Männer Zuflucht gesucht hatten, lag hoch in den Bergen nördlich von Punhete, nahe dem verlassenen Dorf Telemos. Josette Mallington kniete zwischen zertrümmertem Mauerwerk auf dem staubigen Boden und versuchte verzweifelt, die Blutung eines jungen Scharfschützen zu stillen. Draußen sammelten sich die Franzosen zum Angriff.
    Josette ließ sich nicht von ihrer Aufgabe ablenken und blieb bei dem Schwerverwundeten. Der Kugelhagel zerschmetterte, was noch von den Fenstern übrig geblieben war, während die französischen Dragoner vorpreschten. Trotz des ohrenbetäubenden Gefechtslärms konnte man deutlich hören, wie sie im Sturmschritt heranrückten.
    „En avant! En avant! Vive l’Empereur!“
    Beißender Gestank nach Schießpulver und Blut erfüllte die Luft. Das alte Kloster, seit Jahrhunderten geweihter Schauplatz der heiligen Messe und Wohnstätte von Mönchen und Priestern, wurde nun der Austragungsort für ein Gemetzel. Die meisten Männer ihres Vaters waren tot, auch Sarah und Mary hatten die Schlacht nicht überlebt. Der klägliche Rest der Truppe begann zu fliehen.
    Die Finger des jungen Scharfschützen zuckten kurz in Josettes Hand und rührten sich dann nicht mehr. Er hatte seinen letzten Atemzug getan, und trotz des Hexenkessels um sie herum traf sie sein Tod so hart, dass sie minutenlang nicht den Blick von seinen leblosen Augen nehmen konnte.
    „Josie! Um Gottes willen, komm hier herüber, Mädchen!“
    Die Stimme ihres Vaters riss sie aus ihrer Betäubung, und erst jetzt hörte Josette das dumpfe Aufprallen der Äxte, die die Franzosen wieder und wieder gegen das schwere Eingangstor des Klosters schwangen. Zitternd gab sie die Hand des toten Mannes frei und bedeckte sein Gesicht behutsam mit ihrem Schultertuch.
    „Papa?“ Ihr Blick glitt über die blutbespritzten Trümmer um sie her.
    Überall tote oder sterbende Soldaten, die in grotesker Haltung dalagen, hilflos und würdelos – die Männer ihres Vaters, die Männer des Fünften Bataillons des Britischen 60. Infanterieregiments. Josette hatte schon oft den Tod eines Menschen mit ansehen müssen, aber noch nie war sie Zeugin eines solchen Massakers geworden.
    „Halt dich geduckt und beeil dich, Josie. Uns bleibt nicht viel Zeit.“
    Auf Händen und Knien rutschte sie zu der Stelle, wo ihr Vater und eine kleine Gruppe seiner Männer kauerten. Ihre Gesichter waren schmutz- und blutverkrustet, ebenso wie die dunkelgrünen Uniformröcke und die blauen Hosen.
    Ihr Vater umarmte sie und zog sie in den Kreis seiner Männer.
    „Bist du verletzt?“
    „Es geht mir gut“, antwortete sie, obwohl es unter solchen Umständen wohl niemandem wirklich gut gehen konnte.
    Lieutenant Colonel Mallington nickte und wandte sich mit seinen nächsten Worten wieder an seine Männer. „Die Tür wird nicht mehr lange standhalten. Wir müssen in den oberen Stock hinauf. Folgt mir.“
    Josette gehorchte dem Befehl ihres Vaters, ohne weiter zu überlegen. Genau wie alle anderen wusste sie, dass sie auf seine Klugheit und seine Erfahrung vertrauen konnte. Sie hielt nur kurz inne, um einem toten Scharfschützen Gewehr, Patronen und Pulverhorn abzunehmen, und vermied es, so gut sie konnte, auf die klaffende Wunde in seiner Brust zu starren. Mit zitternden Händen presste sie Waffe und Munition an sich und floh mit den anderen an dem Tor vorbei, das von den Franzosen wütend bearbeitet wurde, und die breite Steintreppe hinauf.
    Zwei Stockwerke höher suchten sie Zuflucht in einem Raum, der an der Vorderseite des Klosters lag. Wie durch ein Wunder steckte der Schlüssel noch im Türschloss. Im selben Moment, da ihr Vater ihn herumdrehte, hörte Josette, wie das Eingangstor endgültig nachgab – die Franzosen stürmten das Gebäude.
    Außer seiner stolzen Haltung und der ihm eigenen Autorität gab es nichts, das Lieutenant Colonel Mallington von seinen Männern unterschied. Sein Uniformrock war grün wie der der anderen und wies die gleiche schwarze Knotenverschnürung, die gleichen purpurroten Knopfleisten und Silberknöpfe auf. Lediglich die Achselstücke mit aufgenähter Silberkordel und die rote Schärpe wiesen auf seinen höheren Rang hin, denn die pelzbesetzte Offizierspelisse hatte ihr Vater irgendwo unten in der Eingangshalle zurückgelassen. Er richtete das Wort an seine Soldaten.
    „Wir müssen sie so lange hinhalten wie nur irgend möglich, damit unsere Kuriere es schaffen,
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