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Unerwartet (German Edition)

Unerwartet (German Edition)

Titel: Unerwartet (German Edition)
Autoren: Melanie Hinz
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1.
     
    Es ist viel zu heiß für diese Jahreszeit. Der Kalender zeigt erst die zweite Maiwoche, dennoch brennt mir die Sonne in meiner kleinen Backstube durch das Fenster in den Rücken. Die geöffnete Tür bringt keine wirkliche Erleichterung. Obwohl uns der große Mittagsansturm noch bevorsteht, freue ich mich jetzt schon auf eine kühle Dusche nach dem Feierabend.
    „Was ist da draußen los?“, frage ich meine Mitarbeiterin, während ich mit einer Kiste frisch belegter Baguettes in den vorderen Teil des Ladens trete.
    Ich räume den Nachschub in die Auslage und schaue an Steffi vorbei, die gerade die Straße beobachtet.
    „Der neue Nachbar zieht ein. Schau dir das an, Kati.“
    „Du Luder!“ Spielerisch zwicke ich sie in die Seite, kann aber dann nicht anders, als dem Treiben auf der Straße zuzusehen. Zwei Männer mit einem sehr ansehnlichen Körperbau, räumen mit freiem Oberkörper Möbel und Kartons aus einem Transporter.
    „Wir sollten ihnen kalte Getränke spendieren. Auf gute Nachbarschaft und so.“
    „Welcher ist es?“, frage ich beiläufig. Ich muss ja schließlich wissen, wer in das große Apartment auf meiner Etage zieht.
    „Der mit den Tattoos und den schwarzen Haaren. Also wenn ich nicht schon verheiratet wäre …“
    „Dann würdest du ihn trotzdem nur anschmachten und nicht ansprechen.“
    Steffi ist nicht nur meine Mitarbeiterin, sondern schon lange eine gute Freundin. Deswegen darf ich ihr so etwas durchaus sagen. Sie ist gut in ihrem Job und tut alles für die Leute, die sie liebt, aber außerhalb ihrer vertrauten Bereiche ist sie durch und durch schüchtern.
    „Du hast ja recht“, seufzt sie. „Kommst du jetzt alleine klar? Dann gehe ich hoch und fange an zu kochen. Du kannst Ben sofort zu mir schicken, wenn er von der Schule kommt.“
    „Ich bin soweit durch, du kannst Feierabend machen.“
    Steffi war und ist immer noch mein rettender Engel. In der schlimmsten Zeit, als mein Bruder Ben und ich unsere Eltern verloren haben, hat sie mich in allem unterstützt und mir oft den Hals gerettet. Mit ihrem Mann Matthias hat sie bislang keine eigenen Kinder, obwohl ich weiß, dass sie sich das sehr wünscht und ihr mit Ende Dreißig auch langsam die Zeit davon läuft.
    Dankbarkeit deckt es schon lange nicht mehr, was ich ihr schulde, aber ich weiß, dass sie nie etwas einfordern würde.
     
    Ich habe gerade Ben zum Mittagessen hochgeschickt, als Steffi mir eine Nachricht sendet.
     
    - Du solltest ihnen wirklich etwas zum Trinken spendieren, Kati. Es ist so heiß draußen und der Doktor sieht sogar von hier oben sehr durstig aus. Steffi –
     
    Grinsend bediene ich zwei Kunden und entscheide mich dann dagegen, ihr zu antworten. Schon lange will Steffi mich verkuppeln. Egal was ich sage, sie würde sich nur angespornt fühlen. Ein Mann ist momentan wirklich das Letzte, was ich brauche. Ben kommt gerade mit voller Wucht in die Pubertät und ich muss nicht noch jemanden haben, um den ich mich kümmern muss.
     
    Am frühen Abend sitzt mein Bruder an dem kleinen Tisch hinter der Theke und macht seine Hausaufgaben. So sehr ich mir auch wünschen würde, dass er da schon ein wenig eigenverantwortlicher wäre, muss ich ihn doch leider immer noch kontrollieren.
    „Brauchst du Hilfe?“, frage ich, als für einen Moment alle Gäste versorgt sind und ein wenig Ruhe herrscht. Während ich seine Apfelschorle auffülle, sehe ihm über die Schulter.
    „Ich komme schon klar“, winkt er mich wie eine lästige Fliege beiseite. Er wird nächsten Monat dreizehn Jahre alt, aber er fühlt sich schon seit einer Weile zu cool für seine große Schwester. Ben ist nicht dumm, doch wenn ich ihm nicht regelmäßig in den Hintern treten würde, dann hätte er das letzte Schuljahr nicht gepackt.
     
    Mein neuer Nachbar und sein Umzugshelfer scheinen für heute Feierabend zu machen. Sie ziehen sich ihre T-Shirts über und verabschieden sich voneinander. Der Neue winkt dem davonfahrenden Miettransporter hinterher und dreht sich dann um. Für einen Moment bleibt er zögernd vor meinem Coffeeshop stehen und gibt mir die Möglichkeit, sein hübsches Gesicht zu betrachten. Nur für Sekunden treffen sich unsere Blicke, bevor er kopfschüttelnd abdreht und doch lieber in den Hauseingang hineingeht.
     
    Ein paar Minuten vor Feierabend räume ich die Theke aus und die Reste des Tages in eine Kiste, die gleich ein Mitarbeiter der Tafel abholen wird. Gerade will ich die Vordertür zuschließen, als sich noch eine Person
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