Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

Titel: 0231 - Wenn es Nacht wird in Soho
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
Vom Netzwerk:
»Das hättest du nicht tun sollen«, stellte Quirileinen sachlich fest. »Ausgerechnet eines meiner besten Stücke… Du scheinst gar nicht zu wissen, was du damit getan hast…«
    Nein, dachte Weddyn benommen. Er wußte es nicht. Er wußte gar nichts mehr! Die Eindrücke der letzten Minuten waren so überraschend auf ihn eingestürmt, daß sein gesunder Menschenverstand nicht Schritt halten konnte.
    »Na ja, nun ist es halt passiert«, fuhr Quirileinen fort, als von dem Jungen keine Erwiderung kam. Er ließ seine rechte Hand mit den unnatürlich langen Fingern in der Innentasche seiner Jacke verschwindep und brachte sie wenig später wieder zum Vorschein. Nun lag ein Revolver darin. Und der zielte exakt und unmißverständlich auf Weddyns Herz.
    »Kaliber 22«, erläuterte Quirileinen tonlos. »Durchgeladen, sechs Schuß insgesamt. Und eine einzige davon genügt, um dich ins Jenseits zu befördern. Du verstehst?«
    Was gab es da zu verstehen? Rhodd Weddyn hatte das Gefühl, jemand treibe ihm einen zugespitzten Eiszapfen in den Hinterkopf. Frostwellen jagten durch seinen Körper. Er hatte Angst, Herrgott ja, verteufelte Angst!
    »Was wollen Sie von mir?« preßte er hervor. Seine Stimme klang kratzig und unsicher. Sie spiegelte wider wie er sich fühlte.
    Der Raum war in ein eigentümliches Zwielicht getaucht, dessen exakte Quelle Rhodd Weddyn auch mit größtem Bemühen nicht ausfindig machen konnte. Es war eine indirekte Beleuchtung; nirgends konnte man gewöhnliche Zimmerlampen entdecken. Fast sah es aus, als produzierte die Atmosphäre innerhalb des ungefähr fünfzig Quadratmeter großen Raumes auf unerklärliche Weise ihr Licht selbst. Das war rötlich angehaucht wie in gewissen Etablissements der Halbwelt üblich.
    Aber dieser Ort ließ sich nicht mit bekannten Maßstäben messen!
    Hier war alles anders…
    Der einundzwanzigjährige Arbeitslose fühlte sich um zehntausend Jahre in der Zeit zurückversetzt. Was er in diesem Zimmer mit eigenen Augen sah, hatte er bislang nur aus effektvollen Fantasy-Filmen gekannt. Etwas auf schlimme Weise Magisches, Zauberisches haftete jedem Gegenstand, jedem Symbol an, das im Zwielicht erkennbar war.
    Makaber, dachte Weddyn schaudernd. Das war der passende Ausdruck für alles: makaber! Böse… Etwas Böses verbarg sich hinter all den fratzenhaften Masken und den uralt und fremd anmutenden Schriftzeichen, die über Wände und Decke verteilt waren. Die Zeichen erinnerten entfernt an alte keltische Runen, die Rhodd irgendwann einmal in einem Geschichtsbuch abgebildet gesehen hatte. Aber er war sich nicht einmal darin sicher.
    »Was wollen Sie von mir?« wiederholte er seine Frage. Diesmal etwas aggressiver, weil er plötzlich sicher war, daß ihm Zurückhaltung am allerwenigsten aus der Patsche helfen konnte. Er starrte den Revolver an, der keineswegs wie eine Spielzeugpistole aussah, sondern ganz und gar echt.
    Verdammt auch, dachte Rhodd und musterte sein schmächtiges Gegenüber, das er in der letzten Kneipe kennengelernt hatte. Nach einem halben Dutzend Bieren und einigen Kurzen waren sie dem Anschein nach die besten Kumpels geworden. Und dann hatte Quirileinen ihm den Floh ins Ohr gesetzt, daß er ihm bei sich Zuhause unbedingt etwas ganz Großartiges zeigen mußte… Kaum hatte er jedoch die Wohnungstür in einem alten, abbruchreif aussehenden Mietshaus aufgeschlossen und die Tür aufgedrückt, als er Rhodd auch schon mit einem nicht mehr als freundschaftlich zu akzeptierenden derben Stoß ins Innere gestoßen hatte!
    Quirileinen war blitzschnell in den Raum gehuscht und hatte die Tür sofort wieder ins Schloß gedrückt. Der Rest war bekannt. Und mit dem Revolver hatte er das beste Argument, Rhodd daran zu hindern, daß der sich einfach auf ihn stürzte und ihn verprügelte.
    »Was ich von dir will?« echote Quirileinen. Seine Pupillen huschten unstet von einem Winkel des Auges in den anderen, aber das erfolgte so schnell, daß er Weddyn dennoch nie aus dem Blick zu verlieren schien. »Das dürfte doch offensichtlich sein«, sagte der Alte, dessen Gesicht sich ausschließlich aus Falten und Augen zusammenzusetzen schien. Die Lippen des Mannes waren strichdünn und bewegten sich beim Sprechen kaum merklich. Quirileinens Stimme schien in Höhe des Kehlkopfes einfach aus dem dürren langen Hals hervorzutreten.
    »Ich werde dich opfern «, verkündete Quirileinen gelassen.
    ***
    Die dunkelgekleidete schlanke Gestalt drückte sich in den Schatten einer Türnische und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher