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0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

Titel: 0231 - Wenn es Nacht wird in Soho
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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erstarrte zur absoluten Bewegungslosigkeit. Der Atem des Mannes ging trotz der Strecke, die er gelaufen war, völlig ruhig und gleichmäßig.
    Konzentriert lauschte er in die Nacht, die hier fast allmächtig war, weil die Straßenlaternen nur noch in größeren Abständen installiert waren und darüberhinaus über eine Kilowattzahl verfügten, die schwerlich noch zu unterbieten war.
    Irgendwo schepperte der Deckel einer Mülltonne, und im oberen Stockwerk des Hauses, in dessen Eingang sich Kerr zurückgezogen hatte, schlug jemand geräuschvoll das Fenster zu. Wenig später hörte man das Rasseln von Jalousien.
    Dann war es eine Weile wieder völlig still.
    Kerr bewegte sich immer noch nicht.
    Seine Augen, grau wie alles in dieser Dunkelheit, obwohl ansonsten schockgrün, starrten auf das schräg gegenüberliegende mehrstöckige Haus.
    Dort waren jene verschwunden, die er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit verfolgt hatte, seit sie die finstere Spelunke verlassen hatten.
    Das Haus gehörte immer noch zu Soho, lag aber etwas abseits des Nachtbetriebs. Niemand, mit dem es das Leben gut gemeint hatte, lebte freiwillig hier. Wer in dieser Gegend wohnte, hatte es sich nicht ausgesucht, sondern war in das hoffnungslose Milieu hineingeboren oder getrieben worden.
    Kerr kannte diese und auch alle anderen Schattenseiten der Weltstadt London. Und was Touristen, die aus aller Welt hierherströmten, als Attraktion mitnahmen, entlockte ihm selbst nur mehr Mitleid und eine besondere Form von Traurigkeit.
    Das Haus vor ihm hätte man anderswo vermutlich längst abgerissen, so baufällig sah es selbst bei Nacht aus. Ein paar der unteren Fensterscheiben waren eingeschlagen und ließen raten, daß die dahinterliegenden Räume schon so manchem nächtlichen Streuner als billige Unterkunft gedient hatten. Polizei brauchte man hier im Normalfall nicht zu fürchten. Kein Bobby wagte sich freiwillig, und schon gar nicht ohne Begleitung, in dieses Randgebiet.
    Auch Kerr wäre nicht daran interessiert gewesen. Wenn nicht diese üble Sache gewesen wäre, mit der ihn sein oberster Boß aus der gemütlichen Schreibstube gelockt hatte!
    Zwölf verschwundene Menschen -Männer und Frauen - innerhalb von nur einem Monat in einem einzigen Stadtteil!
    Soho…
    Das Sonderbare dabei war, daß keinerlei Beweise für Mord Vorlagen, da bisher noch keine der verschwundenen Personen als Leichen ein Wiedersehen erfahren hatten.
    Menschenhandel, munkelte man hinter vorgehaltener Hand in Umweltskreisen. Doch daran wollte weder Kerr noch sein Chef glauben. Mädchenhandel - das hatte es schon öfter gegeben. Gerade London war einer der Hauptanziehungspunkte meist jugendlicher Ausreißerinnen, die an Bahnhöfen oder in Discotheken von eigens darauf spezialisierten Gangsterbanden abgefangen und für ihre Zwecke gefügig gemacht wurden. Nicht selten endete auf diese Weise die Flucht aus dem Elternhaus für unerfahrene Mädchen dann mit einer »Karriere« in einer der Nachtbars von Soho oder sogar auf dem Straßenstrich. Das war zwar illegal, aber die Polizei hatte einfach nicht genug Leute, um diesem dringlichen Problem echt Einhalt zu gebieten. Bis die Zuhälterbanden dann aufflogen, hatten sich die Bosse meist schon eine goldene Nase verdient und waren längst über alle Berge. Was ins Netz ging, waren die kleinen Fische.
    Bei dieser Serie hatten sich aber über die Hälfte Männer unter den Vermißten befunden. Und das wäre neu gewesen. Also mußte etwas anderes dahinterstecken. Die Frage war nur, was.
    Kerr warf einen prüfenden Blick zum wolkenbedeckten, bleigrauen Himmel. Noch regnete es nicht, doch es konnte sich nur noch um Minuten handeln.
    Er zog den Kragen seines Trenchcoats enger und trat entschlossen aus der Nische.
    Mit schnellen Schritten lief er auf das gegenüberliegende Haus zu. Aus dem dritten Stockwerk drang gedämpftes, rötliches Licht nach draußen. Alle übrigen Fenster waren dunkel.
    Kerr verschmolz sekundenlang mit der Nacht. Dann tauchte er in das Stiegenhaus des alten Hauses.
    Er ahnte nicht, was sich drei Etagen über ihm gerade abspielte…
    ***
    Rhodd Weddyn vereiste innerlich.
    Ich werde dich opfern, hatte der Alte gesagt und dabei das letzte Wort mit einem Ausdruck irren Verzückens ausgesprochen, daß dem Jungen fast schlecht vor Angst wurde.
    Das konnte doch nicht ernst gemeint sein…!
    »Oh, doch«, bekräftigte Quirileinen in diesem Augenblick, als könnte er mühelos Weddyns Gedanken lesen. »Du wirst dich wundem.«
    Dazu
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