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0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

0231 - Wenn es Nacht wird in Soho

Titel: 0231 - Wenn es Nacht wird in Soho
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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Kaffeekränzchens um einen in der Mitte des grellerleuchteten Raumes befindlichen Tisch herumhockten.
    Die meisten waren schrecklich zugerichtet, andere sahen fast aus, als würden sie schlafen, weil kein Anzeichen einer Verletzung erkennbar war. Bei einem sah Weddyn allerdings ein kleines, kreisrundes Loch mitten auf der Stirn, dessen Ränder von getrocknetem Blut gesäumt wurden. Dabei mußte er an den Revolver denken, mit dem Quirileinen auf ihn zielte.
    Aber das war nur ein sehr flüchtiger Gedanke zwischen all den anderen weit schlimmeren Eindrücken, die ihn bestürmten.
    Hinter ihm kicherte der Alte vergnügt.
    »Na«, gluckste er. »Ist das nicht eine feine Gesellschaft, in die du da geraten bist? Du bist der Dreizehnte in diesem Kreis - der Letzte. Mit dir kann das Ritual endlich beginnen. Haha!« Der Alte schlug sich mit irr flackernden Augen auf den Oberschenkel. »Die Hölle wird ihre Tore öffnen und mir die Macht schenken, auf die ich schon so lange gewartet habe! Diese Stadt soll meinen Haß zu spüren bekommen - so wie ich ihn all die Jahre gespürt habe, seit ich hier in diesem Ghetto hause. Alle werden für das büßen, was man mir angetan hat - alle! «
    Weddyn schluckte. Das war die längste Mitteilung, die der wahnsinnige Alte seit Betreten des Hauses von sich gegeben hatte. Der Inhalt seiner Worte machte ihn betroffen, weil eine tiefe Überzeugung darin mitschwang, die ihn plötzlich leisen Zweifel hegen ließ, ob der alte Mann tatsächlich nur verrückt war.
    Aber was sollte er sonst sein? Nur ein Mensch, der alle Brücken zur Moral abgebrochen hatte und für den die Grenzen zur Realität fließend geworden waren, konnte solche entsetzlichen Morde begehen!
    Zwölf Frauen und Männer hatte er umgebracht. Und er - Weddyn - sollte der Nächste sein…?!
    Ich muß etwas tun! pulste es schmerzhaft in seinem Kopf. Solange noch Zeit ist…
    Er drehte sich langsam zu Quirileinen um. Der Alte stand knapp zwei Meter hinter ihm und machte einen völlig geistesabwesenden Eindruck, während sein Blick mit morbidem Glanz über die rundum sitzenden Toten wanderte. Speichel troff ihm aus dem halbgeöffneten Mund, und langsam, ganz langsam senkte sich der Lauf des Revolvers, als er die Hand sinken ließ.
    Weddyn konnte es kaum glauben, daß seine Chance so schnell da war. Flüchtig fragte er sich, ob der Alte sich nur verstellte und ihn zu einer Reaktion herausfordern wollte. Aber darin konnte er keinen Sinn sehen. Hatte Quirileinen nicht eben erst erzählt, wie lange er sich nach diesem Augenblick gesehnt hatte? Warum verlor er dann noch Zeit?
    Weddyn wischte die unnützen Gedanken beiseite. Zu überlegen gab es nichts mehr.
    Aus dem Stand heraus federte er auf den Alten zu. Seine Augen fraßen sich dabei an dem Revolver fest, weil er erwartete, daß dieser nun sofort wieder nach oben schnellen würde.
    Doch Quirileinen rührte sich auch nicht, als Weddyn gegen ihn prallte und dabei mit beiden Händen nach der Waffe griff.
    Der Alte wurde umgerissen, und kurz darauf fanden sie sich beide am Boden wieder. Erst jetzt schien Quirileinen das Bewußtsein zurückzuverlangen, aber Weddyn hatte bereits den Revolver in seine Gewalt gebracht und richtete ihn nun mit triumphierendem Gelächter auf den Alten.
    Alle Anspannung der letzten Minuten entlud sich in diesem Lachen. Ruckartig stand er auf und stellte sich vor den Mann, der ihn ermorden wollte.
    Völlig übergangslos war der seltsame Bann zerbrochen, unter dem er sich die ganze Zeit bewegt hatte. Er konnte wieder klar denken.
    »Jetzt sieht die Rollenverteilung schon etwas anders aus, wie?« fuhr er den Alten an und fuchtelte dabei wild mit der Waffe vor seinem Gesicht herum. »Steh auf! Los, steh auf! Wir werden jetzt einen kleinen Spaziergang unternehmen. Zur nächsten Polizeiwache. Sollte mich stark wundem, wenn die kein gesteigertes Interesse an einer Bestie wie dir hätten!«
    Quirileinen antwortete nicht. Seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren, als befände sich seine Seele längst nicht mehr in seinem Körper. Schlaff kauerte er vor Weddyn und machte nicht die geringsten Anstalten, der Aufforderung des Jungen Folge zu leisten. Nicht einmal das veränderte Machtverhältnis schien ihn in irgendeiner Weise zu beschäftigen. Sein Blick, auf die Mündung der Pistole gerichtet, war völlig leer.
    Das hätte Weddyn warnen sollen.
    Tat es aber nicht. Viel zu erleichtert war er, um auch nur noch entfernt damit zu rechnen, daß er weiterhin in Gefahr
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