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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
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brutalsten
Boxer von ganz England einmal heimgezahlt hätte. Er hatte nämlich seinen
letzten Gegner totgeschlagen. Aber natürlich wollten nur wenige ihr Geld auf
einen Unbekannten setzen.
    Gelangweilt
von endlosen Unterrichtsstunden, die eine Gouvernante gab, die zu ihr streng
war, aber Euphemia aus reiner Vernarrtheit alles nachsah, sehnte sich Jane nach
Abenteuern. Schließlich schlüpfte sie am Tag, an dem der Boxkampf stattfinden
sollte, mit einem der alten Biberhüte ihres Vaters auf dem Kopf und einem Schal
bis zu den Augen, unbemerkt aus dem Haus. Der alte Mantel ihres Vaters, den sie
sich übergezogen hatte, schleifte hinter ihr her. Sie hoffte, dass man sie für
einen Dorfjungen hielt, wenn man sie sah.
    Als sie
da ankam, wo sich die Zuschauermassen an jenem heißen Augusttag in den Hügeln
versammelt hatten, starrte sie einige Minuten voller Verzweiflung auf die Reihe
Männerrücken, die ihr die Sicht verwehrten. Dann stieg sie einen Hügel hinauf
und sah oben einen kleinen Baum, auf den sie unter großen Mühen kletterte, weil
sie der schwere Mantel behinderte.
    Der
Boxring befand sich am Grunde des Tals, um das die Hänge der Hügel ein
natürliches Amphitheater bildeten. Genau in der Mitte stand der Meister des
Rings, Gentleman Jackson. Jane angelte das Fernrohr ihres Vaters aus einer der
geräumigen Manteltaschen und schaute hindurch. Jackson war eine beeindruckende
Gestalt in scharlachroter Jacke mit goldgefassten Knopflöchern, einem weißen
Stock, einem kreisrunden Hut mit einem breiten schwarzen Band, knielangen
Büffellederhosen, weißen Seidenstrümpfen und Schnallen aus imitierten
Edelsteinen an den Schuhen. Er hatte ein hartes Gesicht mit hohen Backenknochen
und stechende Augen, alles in allem eine stattliche Gestalt mit seinen
wunderbaren kräftigen Waden, die ihm geholfen hatten, zum besten Läufer und
Springer Englands zu werden.
    Unmittelbar
um den Ring herum stand die Abwehrmannschaft mit hohen weißen Hüten. Ihre
Aufgabe war es, notfalls die Peitsche zu gebrauchen, um die Zuschauer daran zu
hindern, den Ring zu betreten.
    Jubelschreie
ertönten, als ein weißer Hut mit roten Schleifen in den Ring geflogen kam. Jack
Death war da und folgte unter dem Geschrei der Menge seinem Hut in den Ring.
Seine Brust war entblößt, und er trug enge weiße Kattunhosen,
    weiße Seidenstrümpfe
und Turnschuhe. Um seine Taille war eine scharlachrote Schärpe geschlungen, und
an den Knien wurde seine Hose durch scharlachrote Schleifchen zusammengebunden.
Er war breitschultrig und dunkelhäutig. Seine langen, hängenden Arme und sein
hervorstehender Unterkiefer erinnerten etwas an einen Affen.
    Zwei
Männer unter dem Baum, in dem sich Jane verkrochen hatte, machten sich
allmählich Sorgen, dass es nicht zum Kampf kommen würde. »Der Boxer von Lord
Tregarthan ist noch nicht da, und es sind nur noch fünf Minuten bis zum
Beginn«, sagte der eine. Die Zuschauer reckten die Köpfe nach allen Richtungen.
Bald war die Zeit auf eine Minute geschrumpft.
    Da kam
ein fescher schwarzer Biberhut in den Ring gesegelt. Der Jubelschrei, der
daraufhin erfolgte, war so laut und so überschwänglich, dass Jane sich noch
fester an den Ast, auf dem sie hockte, klammerte, aus Furcht, der Schrei könnte
sie wie eine große Welle von ihrem Vogels herunterspülen.
    »Wer
ist das?« fragte der Mann unter ihr.
    »Der
Teufel soll mich holen«, rief sein Kamerad aus, »wenn das nicht Tregarthan
selbst ist.«
    Jane
richtete ihr Fernrohr nach unten und hielt dann den Atem an. Unter die
Jubelschreie der Menge mischte sich jetzt auch Gelächter. Ein Dandy aus London
hatte sich in den Ring begeben. Beau Tregarthan selbst. Er streifte sich die
Handschuhe ab und warf sie einem stämmigen, untersetzten Mann zu, der aufgeregt
um ihn herumsprang. Gentleman Jackson schien gegen Lord Tregarthan Einwände zu
machen, aber der Beau lächelte nur und zog Jacke und Weste aus und schließlich
auch noch sein Hemd. Dann drehte er sich um und stand Auge in Auge seinem
Gegner gegenüber.
    Das
Gelächter erstarb, und man hörte bewunderndes Murmeln. Jane presste das
Fernrohr so fest ans Auge, dass sie den ganzen nächsten Tag noch einen roten
Rand darum hatte.
    Der
Beau stand in der Mitte des Rings, bis zum Gürtel entblößt. Seine Haut war weiß
und zart. Wenn er sich bewegte, fing das Sonnenlicht die Schönheit seines
geschmeidigen Muskelspiels ein. »Macht sich gut«, murmelte der Mann unter Jane.
»Wie stehen die Wetten?«
    »Inzwischen
sieben zu
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